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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach 64 StGB

Voraussetzungen und Dauer des Maßregelvollzugs

Das deutsche Strafrecht kennt neben Strafen auch sogenannte Maßregeln. Sie sollen der Besserung und Sicherung von Straftätern dienen und können vom Gericht angeordnet werden.

Eine dieser Maßregeln ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 Strafgesetzbuch (StGB). In diesem Artikel erläutern wir die Voraussetzungen, Chancen und Risiken dieser Norm für suchtkranke Täter.




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Was ist ein Maßregelvollzug?

Was zunächst wie eine therapeutische Maßnahme zugunsten eines Suchtkranken aussieht, dient aus rechtlicher Sicht in erster Linie der Allgemeinheit. Sie soll vor weiteren schweren Straftaten geschützt werden, die mit der Abhängigkeit zusammenhängen.

Im Gegensatz zum Strafvollzug und zur Sicherungsverwahrung findet der Maßregelvollzug nicht in Justizvollzugsanstalten, sondern in gesonderten Einrichtungen statt. Im Fall von § 64 StGB ist das eine Entziehungsanstalt (Klinik). Damit sind Lockerungen möglich, die es im normalen Justizvollzug sonst nicht gibt. Für den Angeklagten kann die Anordnung eine Chance sein, von seiner Sucht loszukommen. In den entsprechenden Kliniken werden die untergebrachten Personen vor allem als Patienten und nicht als Straftäter gesehen.

Eine weitere Form des Maßregelvollzugs ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. In diesem Fall kann die Maßregelanordnung im Gegensatz zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch unbefristet erfolgen.




Welche Voraussetzungen gibt es bei § 64 StGB?

Eine Anordnung des Gerichts zur Unterbringung hat mehrere Voraussetzungen:

  • der Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln
  • eine im Rausch begangene oder durch den Hang bedingte rechtswidrige Tat
  • eine Gefahrenprognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr
  • die positiven Erfolgsaussichten der Unterbringung

Voraussetzung: Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln

Was versteht man unter Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln?

Von einem Hang geht man in der Rechtsprechung aus, wenn der Täter aufgrund einer psychischen Anfälligkeit oder durch lange Übung erworbene intensive Neigung zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln hat und damit eine psychische Abhängigkeit besteht, aufgrund derer er sozial gefährdet oder gefährlich erscheint.

Ob ein Hang beim Angeklagten gegeben ist, beurteilt ein Sachverständiger anhand verschiedener Kriterien. Auf eine körperliche Abhängigkeit von Alkohol oder Betäubungsmitteln kommt es dabei nicht unbedingt an, diese kann aber ein Indiz sein.

Weitere Anzeichen sind z. B.:

  • ein zunehmender Kontrollverlust beim Konsum
  • der Verlust des Arbeitsplatzes
  • der Verlust sozialer Beziehungen aufgrund des Konsums
  • eine Gesundheitsgefährdung
  • eine Beeinträchtigung von Arbeits- und Leistungsfähigkeit.

Eine kurzzeitige oder durch äußere Umstände (wie Untersuchungshaft) erzwungene Reduzierung des Konsums spricht nicht automatisch gegen eine Anordnung der Unterbringung.

Was sind berauschende Mittel im Sinne des § 64 StGB?

In der Norm wird ausdrücklich Alkohol erwähnt. Daneben ist dort von „anderen berauschenden Mitteln“ die Rede. Infrage kommen damit sämtliche denkbaren Rauschmittel. Diese müssen keineswegs illegal sein.

In der Praxis geht es im Zusammenhang mit § 64 jedoch häufig um Drogen. Diese können bekanntlich – je nach Wirkstoff – unterschiedliche Wirkungen haben. Auch Aufputschmittel sind Rauschmittel im Sinne des § 64.

Eine körperliche Abhängigkeit ist keine Voraussetzung, kann aber ein wichtiges Indiz für die Annahme eines Hangs zu berauschenden Mitteln sein.


Voraussetzung: im Rausch oder hangbedingt begangene rechtswidrige Tat

Eine weitere wichtige Voraussetzung ist das Vorliegen einer erheblichen rechtswidrigen Tat, die auf den Hang zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln zurückzuführen ist. Die Anforderungen hierfür sind allerdings sehr gering. Es muss nur einen symptomatischen Zusammenhang mit dem Hang geben. Außerdem muss sich in der Tat die hangbedingte Gefährlichkeit des Angeklagten ausdrücken. Typisch ist hier etwa die Beschaffungskriminalität durch Drogenabhängige, um die Betäubungsmittel zu finanzieren. Der bloße regelmäßige Erwerb von Betäubungsmitteln reicht dagegen beispielsweise für das Kriterium der Erheblichkeit nicht aus.

Eine Anordnung kann auch erfolgen, wenn die Tat im Rausch begangen wurde und der Angeklagte deshalb verurteilt wird. Das Gleiche gilt, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil seine Schuldunfähigkeit gegeben oder zumindest nicht auszuschließen ist. Die Frage der Schuldfähigkeit spielt für die Möglichkeit einer Anordnung keine Rolle. Die Maßregel kann auch angeordnet werden, wenn eine Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt nicht gegeben war.


Voraussetzung: Gefahrenprognose

Es muss die Gefahr bestehen, dass der Angeklagte aufgrund seines Hangs weiter erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, also eine Wiederholungsgefahr vorliegt. Die bloße Möglichkeit reicht indes nicht aus.


Voraussetzung: Erfolgsaussichten der Therapie während der Unterbringung

Die Unterbringung muss eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg haben. Die Sucht soll innerhalb der vorgesehenen Frist möglichst geheilt oder aber der Betroffene zumindest für eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall bewahrt werden.

Hier kann sich eine frühere erfolglose Behandlung im Rahmen einer Unterbringung negativ auswirken. Andererseits stehen Rückfälle nach einem früheren Therapieversuch oder gescheiterte Entgiftungen einer positiven Erfolgsaussicht nicht grundsätzlich entgegen. Es kommt vielmehr auf eine für das Gericht überzeugende Motivation des Angeklagten für die Therapie an.




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Wie lange dauert die Unterbringung nach § 64 StGB?

Bezüglich der Dauer verweist der Paragraf auf § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3. Damit gilt eine Grundfrist von zwei Jahren für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Die Behandlungszeit kann sich aber um maximal zwei Drittel einer gleichzeitig verhängten Haftstrafe verlängern. Die Höchstfrist für den Aufenthalt errechnet sich damit aus zwei Dritteln der Haftstrafe plus zwei Jahren.

Beispiel: Ein Angeklagter wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Damit beträgt die Gesamtdauer für ihn vier Jahre (2/3 von 3 Jahren = 2 Jahre + 2 Jahre Therapie).

Eine Anordnung nach § 64 kann also im Ergebnis eine Verlängerung der Freiheitsentziehung bedeuten. Die konkrete Dauer liegt am Einzelfall und auch an der Klinik. Im Durchschnitt kann man jedoch von einer Unterbringung von etwa 2 Jahren ausgehen. Dazu muss erwähnt werden, dass der Maßregelvollzug eine stete Lockerung vorsieht. Bereits nach absehbarer Zeit kann Urlaub gewährt werden. Selbstverständlich liegt die mögliche Überwindung der Sucht im Mittelpunkt.

Nach Vollstreckung der Hälfte seiner Strafe kann der Untergebrachte die Strafaussetzung zur Bewährung beantragen. Falls dafür die Voraussetzungen nicht vorliegen, ist auch ein Antrag auf Strafaussetzung zur Therapie nach § 35 BtMG möglich.


Wie ist die Vollstreckungsreihenfolge?

Nach § 67 StGB soll die Maßregel grundsätzlich vor der Haftstrafe vollzogen werden. § 67 Absatz 2 bestimmt jedoch, dass das Gericht den Vollzug der Haftstrafe oder ein Teil davon vor der Maßregel anordnet, wenn das ihrem Zweck besser dient. Außerdem soll bei einer Verurteilung zu mehr als drei Jahren Freiheitsentzug ebenfalls ein Teil der Freiheitsstrafe vor der Maßregel verbüßt werden (sogenannter Vorwegvollzug). Zeiten von Untersuchungs- oder Organisationshaft werden angerechnet.




Bedeutet § 64 StGB Therapie statt Strafe?

Nein, unter dem Begriff „Therapie statt Strafe“ versteht man die Regelungen des § 35 Betäubungsmittelgesetz, bei der die Suchtbehandlung im Vordergrund steht. Es besteht aber ein gewisser Zusammenhang zwischen beiden Normen. Grundsätzlich geht eine Unterbringung nach § 64 StGB der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vor. Deshalb besteht ein Risiko, wenn das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 BtMG überzeugt wird. Dann droht unter Umständen eine längere Unterbringung nach § 64 StGB als es bei „Therapie statt Strafe“ nach § 35 BtMG der Fall gewesen wäre.

Mehr Informationen zur Anwendung des § 35 BtMG finden Sie in unserem Artikel Was versteht man unter Therapie statt Strafe? – § 35 BtMG




Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – immer ein Fall für den Anwalt

Steht die Anordnung einer Maßregel wie hier Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB im Raum, handelt es sich wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage immer um einen sogenannten Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Absatz 2 StPO. Als Beschuldigter benötigen Sie also immer einen Strafverteidiger, der Ihre Interessen vertritt. Um sich bestmöglich vertreten zu lassen, sollten Sie frühzeitig Kontakt zu einem Rechtsanwalt aufnehmen und ihn als Ihren Wahlverteidiger benennen. Das Gericht wird andernfalls einen Anwalt für Sie aussuchen.

Gerade die Fälle des § 64 StGB bedürfen einer sorgfältigen Prüfung aller Umstände durch einen Anwalt. Fragen wie die Berechnung der Höchstfrist, die Anrechnung von Maßregelvollzug oder U-Haft auf die Gesamtdauer sorgen in der Praxis immer wieder für Probleme, die erhebliche Auswirkungen für den Betroffenen haben können.

Sofern Sie befürchten müssen, dass eine Unterbringung angeordnet wird oder Sie sich sogar schon im Maßregelvollzug befinden, sollten Sie sich dringend an einen Anwalt wenden.

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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Matthias Brauer ist Kanzleiinhaber und verfügt vor allem im Strafrecht und Verkehrsrecht über eine große Praxiserfahrung.

Standorte der Kanzlei Dr. Brauer Rechtsanwälte sind in Bonn, Frankfurt am Main, Dresden, Hamburg und Berlin. Von dort aus vertreten die Anwälte und Strafverteidiger Mandanten aus und in ganz Deutschland.

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Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB Zuletzt aktualisiert: 11.01.2022 von Dr. Matthias Brauer LL.M

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