Wann Sex ohne Kondom als sexueller Übergriff oder Vergewaltigung gilt
Der als Stealthing bezeichnete Sex ohne Kondom trotz anderer Vereinbarung der Sexualpartner sorgt schon seit längerer Zeit für juristische Diskussionen. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Stealthing als sexueller Übergriff oder sogar als Vergewaltigung strafbar ist. Nachfolgend beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Thema.
Unsere Inhalte in der Übersicht:
- Was ist Stealthing?
- Ist Stealthing strafbar?
- Welche Strafe droht für Stealthing?
- Was tun bei einer Anzeige?
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Was ist Stealthing?
Stealthing ist eine Praktik beim Sex, bei der eine Person heimlich ein Kondom während des Geschlechtsverkehrs ohne das Wissen oder die Zustimmung des anderen Partners entfernt. Der Begriff leitet sich aus dem englischen Wort „stealth“ ab, das im Deutschen List, Verstohlenheit oder Heimlichtuerei bedeutet.
Dieses Verhalten wird als Form der sexuellen Gewalt und als sexueller Missbrauch betrachtet, da es die körperliche Unversehrtheit des anderen Partners gefährdet und ohne Zustimmung des Partners geschieht.
Stealthing kann als eine Form des sexuellen Übergriffs betrachtet werden, da es dem anderen Partner die Möglichkeit nimmt, eine informierte Entscheidung über das Sexualverhalten zu treffen. Es kann zu einer ungewollten Schwangerschaft oder der Übertragung von sexuell übertragbaren Krankheiten führen.
Sexuelle Handlungen dürfen immer nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Beteiligten erfolge. Es sollten alle notwendigen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit und Gesundheit der Sex-Partner zu gewährleisten.
Ist Stealthing strafbar?
Es gibt im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) keinen explizit Straftatbestand für Stealthing. Allerdings kann Stealthing als sexueller Übergriff oder sogar der Vergewaltigung gemäß § 177 StGB geahndet werden.
Nach § 177 Abs. 1 StGB ist jede sexuelle Handlung an einer anderen Person strafbar, die gegen deren Willen vorgenommen wird. („Nein heißt Nein.“) Gleiches gilt, wenn die andere Person aufgrund ihres Zustands nicht in der Lage ist, einen eigenen Willen zu bilden oder zu äußern. Wenn eine Person also ohne das Einverständnis des Partners das Kondom entfernt und ungeschützten Sex hat, kann dies als sexueller Übergriff angesehen und entsprechend bestraft werden.
Darüber hinaus können Opfer von Stealthing auch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, beispielsweise Schmerzensgeld oder Schadensersatz.
BGH entscheidet: Stealthing ist Straftat
Es gab längere Zeit noch keine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu Stealthing. Doch am 13. Dezember 2022 entschied nun der BGH, dass Stealthing eine Straftat ist. Die zentrale Aussage in der Entscheidung mit dem Aktenzeichen 3 StR 372/22 ist eindeutig: „Stimmt eine Person Geschlechtsverkehr ersichtlich nur unter der Voraussetzung zu, dass dabei ein Kondom genutzt werde, stehen ohne Präservativ vorgenommene sexuelle Handlungen ihrem erkennbaren Willen entgegen.“
Demnach stehen sexuelle Handlungen ohne die Verwendung eines Kondoms dem erkennbaren Willen des Opfers nach § 177 Abs. 1 StGB entgegen, wenn es erkennbar in den Geschlechtsverkehr nur unter der Bedingung der Verwendung eines Kondoms einwilligte. Laut BGH kann sogar eine Strafbarkeit wegen Vergewaltigung gemäß § 177 Absatz 6 Satz 2 Nr. 1 in Betracht kommen. Das war wegen der Umstände des Einzelfalls in dem konkreten Verfahren aber nicht zu entscheiden.
Laut BGH spielt die generelle Einwilligung in sexuelle Handlungen bei der Bewertung des heimlichen Entfernens des Kondoms keine Rolle. Das grundsätzliche Einverständnis des Partners zum gemeinsamen Sex bedeutet also eindeutig nicht, dass man ggf. auch mit einem Sexualverkehr ohne Kondom einverstanden ist.
Die Strafbarkeit ist unabhängig vom Geschlecht des Sexualpartners. Wegen der möglichen Übertragbarkeit von sexuellen Krankheiten gilt sie demzufolge auch für homosexuelle Partner. (Ursprünglich kam das Phänomen Stealthing wegen entsprechenden Praktiken unter schwulen Männern in den USA auf.) Auch sexuelle Praktiken spielen keine Rolle – Analverkehr oder Oralverkehr ohne Kondom sind ebenso strafbar, wenn zuvor nur Sex mit einem Präservativ vereinbart wurde.
Welche Strafe droht für Stealthing?
Eine Verurteilung wegen eines sexuellen Übergriffs kann nach § 177 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren führen.
Wird Stealthing im Einzelfall sogar als Vergewaltigung eingestuft, dann droht nach § 177 Abs. 6 StGB eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren. Eine Geldstrafe ist in § 177 StGB generell nicht vorgesehen.
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Egal, ob Sie tatsächlich heimlich das Kondom entfernt haben oder sich für unschuldig halten: Bei einer Anzeige nach § 177 StGB wegen Stealthing sollten Sie schnell Kontakt zu einem Rechtsanwalt aufnehmen, der sich mit Sexualdelikten auskennt.
Angesichts des Strafrahmens (u. a. keine Geldstrafe möglich) ist Stealthing keinesfalls ein Kavaliersdelikt. Der Vorwurf sollte deshalb unbedingt ernstgenommen werden.
In der strafrechtlichen Praxis geht es bei Stealthing meistens um Fragen der Beweiswürdigung. In der Regel steht Aussage gegen Aussage. Deshalb gelten hier die drei Grundregeln für Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren:
Weitere Informationen haben wir hier zusammengefasst:
Ratgeber für Beschuldigte
Mit einer Aussage zur Sache können sich Beschuldigte gerade im Fall des Vorwurfs von Stealthing unabsichtlich selbst belasten. Machen Sie deshalb immer von dem Ihnen gesetzlich zustehenden Schweigerecht Gebrauch!
Die Einsicht in die Ermittlungsakte und eine kompetente juristische Bewertung der darin enthaltenen Aussagen des Opfers ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung. Nach der Übertragung des Mandats wird ein Strafverteidiger deshalb immer sofort Akteneinsicht beantragen. Nur auf dieser Grundlage lässt sich eine erfolgversprechende Verteidigungsstrategie aufbauen.
Wenn gegen Sie wegen Stealthing ermittelt wird, können Sie sich gern an unsere Kanzlei Dr. Brauer Rechtsanwälte wenden. Wir sind auf Strafrecht spezialisiert und bundesweit tätig. In der Vergangenheit haben wir schon viele Mandanten vertreten, denen ein Verstoß gegen § 177 StGB vorgeworfen wurde. Rufen Sie uns einfach an und schildern Sie uns kurz Ihren Fall. Oder schreiben Sie bei WhatsApp eine Nachricht an uns. Die Ersteinschätzung Ihres individuellen Falles ist für Sie kostenlos und unverbindlich.
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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Matthias Brauer ist Kanzleiinhaber und verfügt vor allem im Strafrecht und Verkehrsrecht über eine große Praxiserfahrung.
Standorte der Kanzlei Dr. Brauer Rechtsanwälte sind in Bonn, Frankfurt am Main, Dresden, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, München und Berlin. Von dort aus vertreten die Anwälte und Strafverteidiger Mandanten aus und in ganz Deutschland.
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