Die Grenzen des Sagbaren werden zunehmend enger gezogen. Das hat immer mehr Strafverfahren wegen Meinungsäußerungen zur Folge. Der Vorwurf lautet dann meist: Volksverhetzung gemäß § 130 StGB.
Insbesondere im Internet, vor allem in den sozialen Medien sowie im Rahmen von politischen Versammlungen ist Vorsicht geboten. Die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und strafbarer Volksverhetzung sind oft fließend und hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Der § 130 StGB wurde in den letzten Jahren mehrfach erweitert und verschärft. Der juristische Laie kann oftmals strafbare Inhalte und rechtliche Folgen nicht genau einschätzen. Bei einem Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung sollte deshalb keine Aussage getätigt und sofort ein Rechtsanwalt mit Erfahrung bei politischen Delikten kontaktiert werden. Oftmals entscheiden Kleinigkeiten und Begleitumstände darüber, ob eine Äußerung strafbar ist oder nicht.
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Was ist Volksverhetzung gemäß §130 StGB?
Der Straftatbestand der Volksverhetzung (§130 Strafgesetzbuch) ist dem sogenannten Äußerungsrecht zuzuordnen. Es sollen Aussagen oder Veröffentlichungen bestraft werden, die zu Hass oder Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufrufen und diese diskriminieren. Solche Straftaten sind in vielfältigen Situationen denkbar, besonders häufig kommen sie in der Rechtspraxis im Umfeld von Demonstrationen oder in den sozialen Netzwerken vor. Dabei gilt: Auch in vermeintlich anonymen Räumen wie Chatgruppen ist das Internet kein rechtsfreier Raum.
Die Volksverhetzung ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Das bedeutet, dass kein konkreter „Taterfolg“ vonnöten ist, um sich strafbar zu machen. Ausreichend ist, dass die Möglichkeit besteht, dass die Wahrnehmung dem Straftatbestand entspricht.
Grundsätzlich müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Äußerung als Straftat gilt:
- Öffentliche Äußerung: Die Tat muss öffentlich geschehen. Doch Vorsicht: Schon kleine Chatgruppen (z. B. auf WhatsApp) können als „öffentlich“ gelten.
- Betroffenheit einer Bevölkerungsgruppe: Die Äußerung muss sich gegen eine klar abgrenzbare Gruppe richten (z. B. ethnisch, religiös oder national definierte Gruppen). Eine Volksverhetzung gegen Deutsche ist nach aktueller Rechtsprechung nicht möglich.
- Geeignetheit zur Hetze: Die Aussage muss Hass schüren, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordern oder aber einen Teil der Bevölkerung beschimpfen, böswillig verächtlich machen oder verleumden.
- Gefährdung des öffentlichen Friedens: Der öffentliche Friede ist schnell gefährdet, da dieser Begriff sehr weit ausgelegt wird. Es reicht, wenn das Vertrauen in die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt wird.
Inhalte von § 130 StGB
Der § 130 StGB wurde in den letzten Jahren immer wieder erweitert, was nicht gerade zur Verständlichkeit für juristische Laien beigetragen hat. Der Volksverhetzungsparagraf umfasst mittlerweile acht Absätze:
- Absatz 1: Strafbarkeit für Aufrufe zu Hass, Gewalt oder Willkürmaßnahmen sowie für böswillige, verächtlich machende oder verleumderische Äußerungen gegenüber bestimmten Gruppen oder Einzelpersonen.
- Absatz 2: Strafbarkeit bei Verbreitung von Schriften, Tonträgern oder Abbildungen mit volksverhetzenden Inhalten. Voraussetzung: Die Absicht, diese öffentlich zugänglich zu machen.
- Absatz 3 und 4: Sanktionen bei Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von NS-Verbrechen und bei Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft.
- Absatz 5: Strafbarkeit bei Leugnung oder Verharmlosung von Völkermorden oder Kriegsverbrechen gemäß Völkerstrafgesetzbuch.
Öffentliche Debatten um sogenannte Hassreden haben den politischen Verfolgungsdruck auf Polizei und Staatsanwaltschaften deutlich erhöht. Insbesondere durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurden die Meldepflichten der Plattformbetreiber erweitert. Näheres zur Volksverhetzung in den sozialen Medien finden Sie hier: Volksverhetzung in sozialen Medien.
Äußerungen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen
Auf der einen Seite kann eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung gegeben sein, wenn sich die Äußerung zu Lasten bestimmter Gruppen oder Teile der Bevölkerung richtet.
Nach § 130 I Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer zum Hass aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen bestimmte Gruppen auffordert. Dabei kann es sich um nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen handeln. Die Tat kann sich aber auch gegen eine Einzelperson richten, wenn die gegen sie gerichtete Äußerung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen erfolgt.
§ 130 I Nr. 2 StGB ordnet die Strafbarkeit an, wenn mit einer Äußerung eine bestimmte Gruppe oder Einzelpersonen beschimpft, böswillig verächtlich gemacht, verleumdet und damit in der Menschenwürde angegriffen werden. In allen Handlungsalternativen muss durch die Äußerung der öffentliche Frieden gestört werden.
Durch § 130 II StGB wird der Anwendungsbereich der beschriebenen Handlungen auf Inhalte ausgeweitet. Das sind im Sinne des § 11 Absatz 3 StGB insbesondere Schriften, Tonträger, Datenspeicher und Abbildungen. Eine Voraussetzung für die Strafbarkeit ist hier aber, dass die Absicht besteht, den Inhalt zu verbreiten oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Äußerungen mit Bezug zum Nationalsozialismus
Auf der anderen Seite wird Volksverhetzung in Bezug zum Nationalsozialismus unter Strafe gestellt. In § 130 Absatz 3 StGB wird das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen von Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus als Volksverhetzung normiert, wenn dies öffentlich oder in einer Versammlung geschieht und geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Nach § 130 Abs. 4 StGB wird bestraft, wer die nationalsozialistische Herrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt und damit die Würde der Opfer des NS-Regimes verletzt. Auch dies muss öffentlich oder in einer Versammlung und in einer den öffentlichen Frieden störenden Art und Weise geschehen.
In Bezug auf die Strafbarkeit der Leugnung des Holocaust ist wichtig zu wissen, dass auch die Wiedergabe der Äußerung einer anderen Person strafbar sein kann. Bei einer entsprechenden Leugnung wird eine Störung des öffentlichen Friedens laut höchstrichterlicher Rechtsprechung stets angenommen.
Äußerungen zu Völkermorden und Kriegsverbrechen
Im Jahr 2022 hat der § 130 StGB eine weitere Verschärfung und Ausweitung erfahren. So ist gemäß § 130 Abs. 5 StGB nun auch strafbar, wenn eine Handlung im Sinne der §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches öffentlich oder in einer Versammlung gebilligt, geleugnet oder gröblich verharmlost wird. Handlungen in diesem Sinne sind unter anderem Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Auch dies muss in einer Art und Weise geschehen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören oder zu Hass oder Gewalt gegen eine in § 130 Abs. 1 StGB genannte Person oder Personenmehrheit aufzustacheln.
Immer wieder ist also die Rede vom öffentlichen Frieden. Dies ist ein typischer Juristen-Begriff, der auslegungsbedürftig ist. Gemeint ist die „Erschütterung des Vertrauens in die öffentliche Rechtssicherheit“ (KG, Beschluss v. 30.07.2020 – (5) 161 Ss 74/20). Durch dieses Tatbestandsmerkmal soll verhindert werden, dass Äußerungen getätigt werden, die bei anderen Hemmschwellen abbauen oder zur Einschüchterung von Dritten führen könnten.
Welche Strafe droht bei Volksverhetzung?
Die Höchststrafe für Volksverhetzung beträgt fünf Jahre Freiheitsstrafe. Die Sanktionen variieren je nach Handlungsform:
- Hassaufrufe und Hetze (§ 130 Abs. 1): Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren.
- Verbreitung volksverhetzender Inhalte (§ 130 Abs. 2): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
- Leugnung des Holocaust (§ 130 Abs. 3): Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
- Verherrlichung des Nationalsozialismus (§ 130 Abs. 4): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
- Leugnung oder Verharmlosung von Völkermorden oder Kriegsverbrechen (§ 130 Abs. 5): Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Bei Äußerungen im politischen Kontext gehen Staatsanwaltschaften häufig energisch vor. Um eine Strafe zu verhindern oder bei einer Verurteilung die Strafe möglichst gering zu halten, ist eine kompetente Strafverteidigung nötig. Bei einem Strafverfahren wegen Volksverhetzung sollte der Beschuldigte sofort Kontakt zu einem erfahrenen Anwalt aufnehmen.
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Wo ist die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und strafbarer Volksverhetzung?
Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales Grundrecht und in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert. Sie erlaubt es jedem, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Allerdings ist die Meinungsfreiheit nicht grenzenlos. Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz bestimmt, dass die Meinungsfreiheit durch allgemeines Gesetz sowie das Recht der persönlichen Ehre und den Jugendschutz eingeschränkt werden kann. So etwa als strafbare Volksverhetzung gemäß § 130 StGB.
Die entscheidende Frage ist, wann eine Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und wann sie eine strafbare Volksverhetzung darstellt. Hier einige Punkte zur Abgrenzung:
- Meinung oder Fakt?
Meinungen, die nicht belegbar sind, haben einen stärkeren Schutz. Wenn jemand jedoch Tatsachen behauptet, die "offenkundig" oder nachweislich falsch sind (z. B. Holocaustleugnung), fällt das nicht mehr unter die Meinungsfreiheit. - Menschenwürde:
Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die Menschenwürde anderer verletzt wird. Diffamierende Aussagen, die gezielt darauf abzielen, eine Gruppe herabzuwürdigen oder Hass zu schüren, sind nicht durch Artikel 5 GG gedeckt. - Kontext und Wirkung:
Eine Äußerung, die öffentlich Hass schürt und potenziell Gewalt provoziert, wird strenger bewertet als eine private Meinungsäußerung. Je größer die Reichweite und Wirkung, desto eher greift § 130 StGB.
Die Abwägung im Einzelfall ist Aufgabe der Gerichte, die sowohl die Verfassung als auch die Strafgesetze berücksichtigen müssen. So sind Gerichte verpflichtet Äußerungen meinungsfreundlich auszulegen. Wenn mehrere Interpretationen möglich sind, muss diejenige gewählt werden, die die Äußerung straffrei lässt (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 01.08.2019 – 1 RVs 31/19). Das heißt, dass die Gerichte nicht nur den Wortlaut, sondern auch die näheren Umstände berücksichtigen müssen (Vgl. BVerfG, Beschluss v. 28.03.2017 – 1 BvR 1384/16).
Wichtig zu wissen: Die Staatsanwaltschaft ist bei politischen Delikten oft kleinlich und leitet schnell Ermittlungen ein. Umso wichtiger ist dann das Verhalten des Beschuldigten sowie der Aufbau einer durchsetzungsfähigen Verteidigung.
Vorladung oder Hausdurchsuchung wegen Volksverhetzung - was soll ich tun?
Ob nun der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist oder nicht, folgende Tipps sollten Sie bei einem Strafverfahren befolgen:
- Keine Aussage machen!
Schweigen ist Ihr Recht und darf nicht negativ ausgelegt werden. Jede unüberlegte Aussage kann Ihre Verteidigung erschweren oder unmöglich machen. Nutzen Sie deshalb immer Ihr Aussageverweigerungsrecht und besprechen Sie Aussagen vorab immer mit einem erfahrenen Anwalt. - Rechtsanwalt einschalten!
Wenden Sie sich sofort an einen erfahrenen Anwalt im politischen Strafrecht. Ihr Strafverteidiger wird die Kommunikation mit den Ermittlungsbehörden übernehmen und die Einsicht in die Ermittlungsakte beantragen. Erst nach der Akteneinsicht ist eine zielgerichtete Verteidigung möglich. - Ruhe bewahren bei Hausdurchsuchungen!
Bei Ermittlungen gemäß § 130 StGB kommt es häufig zu einer Hausdurchsuchung. Hier gilt es Ruhe zu bewahren. Leisten Sie keinen Widerstand und bleiben Sie passiv. Auch hier gilt: Keine Aussage tätigen. Keine Zugangsdaten oder Passwörter herausgeben. Niemals etwas unterschreiben.
Anwalt bei Volksverhetzung: Wie hilft mir ein Strafverteidiger?
Es empfiehlt sich, bei einer Anzeige wegen Volksverhetzung sofort einen Rechtsanwalt zu kontaktieren – am besten einen mit einschlägiger Erfahrung im politischen Strafrecht. Er kennt die aktuelle Rechtsprechung und befasst sich regelmäßig mit der beschriebenen Grauzone zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung. Die Übergänge sind fließend und für den Laien kaum nachvollziehbar. Bei rechtzeitiger Meldung kann hier oft eine erfolgversprechende Verteidigungsstrategie entwickelt werden. Für die Verteidigung ist die Einsicht in die Ermittlungsakte von großer Bedeutung – diese kann aber nur ein Rechtsanwalt vollumfänglich einsehen.
Vor allem im Zusammenhang mit Äußerungen in den sozialen Medien ist die Täterschaft nicht selten zweifelhaft – hier kann ein erfahrener Anwalt ansetzen. Grundsätzlich kann nur derjenige bestraft werden, bei dem zweifelsfrei erwiesen ist, dass er die entsprechende Äußerung tatsächlich getätigt hat.
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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
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