In fast jedem Artikel in unserem Rechtsblog findet sich der Hinweis an Beschuldigte: „Machen Sie von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch!“
Doch was genau bedeutet das eigentlich? Und gilt das Aussageverweigerungsrecht auch für Zeugen in einem Strafverfahren?
Nachfolgend erfahren Sie mehr über dieses grundlegende Recht der Strafprozessordnung.
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- Wann darf ich eine Aussage bei der Polizei verweigern?
- Aussage bei Unschuld?
- Fehlende Belehrung und verbotene Vernehmungsmethoden
- Darf ich als Zeuge die Aussage verweigern?
- Als Verlobter ausgeben, um Aussage verweigern zu können?
- Keine Selbstbeschuldigung notwendig
- Strafe bei Aussageverweigerung als Zeuge
- Vor Aussage Anwalt einschalten!
Wann darf ich eine Aussage bei der Polizei verweigern?
Im deutschen Strafrecht gilt der Grundsatz: Niemand muss sich selbst belasten. Er gilt nicht nur gegenüber der Polizei, sondern auch gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Gericht. Beschuldigte haben ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht, das ihnen auch vor Gericht nicht negativ ausgelegt werden darf.
Zu unterscheiden vom Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten bzw. Angeklagten ist das Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen aus persönlichen oder sachlichen Gründen. Aussageverweigerungs- und Zeugnisverweigerungsrecht sind also nicht identisch. Auf das Zeugnisverweigerungsrecht gehen wir weiter unten in diesem Artikel noch ausführlich ein.
Die rechtlichen Grundlagen des Aussageverweigerungsrechts finden sich in den Paragrafen 136, 163a und 243 der Strafprozessordnung. § 136 StPO bezieht sich auf die erste polizeiliche Vernehmung, § 163a auf das weitere Ermittlungsverfahren bis zum Abschluss und § 243 auf den Strafprozess vor Gericht.
Wer von der Polizei zur einer Vernehmung als Beschuldigter wegen einer Straftat geladen wird, muss dieser nicht Folge leisten. Gleiches gilt sinngemäß, wenn man als Beschuldigter einen Anhörungsbogen der Polizei erhalten hat. Das ist vor allem bei geringfügigen Delikten der Fall. Auch hier gilt das Aussageverweigerungsrecht. Man muss keine Angaben zur Sache machen. Darüber wird man in der beiliegenden Belehrung hingewiesen. Nur die Personalien müssen angeben werden. Angaben zu den persönlichen Verhältnissen (wie Beruf und Einkommen) sollte man jedoch nicht machen.
Bei einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft muss man zur Beschuldigtenvernehmung erscheinen, hat aber auch dort das Recht zu schweigen.
Ich bin aber unschuldig – warum soll ich nicht aussagen?
Ob jemand unschuldig ist, hängt in vielen Fällen von der Bewertung der vorhandenen Beweismittel ab. Der Beschuldigte selbst kann seine Lage meistens schlecht beurteilen, da er nicht weiß, über welche Erkenntnisse Polizei und Staatsanwaltschaft verfügen.
Deshalb ist es immer sinnvoll, zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen und einen Rechtsanwalt einzuschalten. Der Anwalt wird Akteneinsicht beantragen und auf dieser Grundlage bewerten, ob die vorliegenden Beweismittel seinen Mandanten belasten. Im positiven Fall kann er mit einer rechtlichen fundierten Stellungnahme dessen Unschuld beweisen. Dann kann es durchaus sinnvoll sein, als Beschuldigter zur eigenen Verteidigung auszusagen – aber eben erst nach der Einsicht in die Ermittlungsakte durch den Strafverteidiger. Er wird auch bei der Vernehmung mit anwesend sein und kann den Mandanten in rechtlichen Zweifelsfällen beraten.
Wichtiger Hinweis: Beschuldigte können keine Akteneinsicht beantragen. Dieses Recht ist Anwälten vorbehalten.
Fehlende Belehrung und verbotene Vernehmungsmethoden
Falls man sich doch zu einer Aussage entscheidet, müssen die Ermittlungsbehörden verschiedene Regeln beachten. Die Belehrung über das Recht, die Aussage zu verweigern, ist zwingend. Andernfalls kann die Aussage für ungültig erklärt und damit nicht vor Gericht verwendet werden.
Verbotene Vernehmungsmethoden sind nach § 136a Abs. 1 StPO:
- Misshandlung,
- Ermüdung,
- körperliche Eingriffe durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose.
Auch die Drohung damit ist verboten und kann strafrechtlich verfolgt werden. Aussagen, die unter diesen Umständen gemacht wurden, unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.
Darf ich als Zeuge die Aussage verweigern?
Grundsätzlich ist jeder, der Zeuge einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit geworden ist, zur – wahrheitsgemäßen – Aussage verpflichtet. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen. In diesen Fällen besteht für die betroffenen Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Zeugnisverweigerung als naher Angehöriger
§ 52 StPO sieht für nahe Angehörige eines Beschuldigten das Recht zur Verweigerung der Aussage vor. Dazu zählen:
- Ehegatten
- Lebenspartner
- Verlobte
- Eltern
- Großeltern
- Kinder
- Geschwister
- Onkel oder Tanten
- Schwager oder Schwägerin
Im Fall der Verweigerung der Aussage durch die Ehefrau oder den Ehemann ist nicht relevant, ob die Ehe noch besteht. Damit steht das Aussageverweigerungsrecht den Eheleuten auch noch nach der Scheidung zu. Gleiches gilt für Lebenspartnerschaften. Stiefkinder haben gegenüber dem Stiefvater oder der Stiefmutter ebenfalls ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Stiefgeschwister haben untereinander dagegen kein Zeugnisverweigerungsrecht. Auch für Cousins oder Cousinen gilt das Recht der Zeugnisverweigerung nicht mehr, weil sie rechtlich nicht mehr als nahe Verwandte gelten.
Eine Pflicht für nahe Verwandte zur Zeugnisverweigerung besteht nicht.
Zeugnisverweigerung als Berufsgeheimnisträger
§ 53 StPO regelt das Recht zur Zeugnisverweigerung von bestimmten Berufsgruppen. Das sind u. a.:
- Geistliche,
- Rechtsanwälte und Notare,
- Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte,
- Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker und Hebammen,
- Journalisten.
Für Angehörige der den genannten Berufsgruppen besteht auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage eine Schweigepflicht, insbesondere nach § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Sie gilt nicht zuletzt für Strafverteidiger.
Weitere Rechte und Pflichten als Zeuge
Wer von der Polizei zu einer Zeugenvernehmung geladen wird, muss dieser Folge leisten, wenn die Vorladung ausdrücklich im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt. Das muss dann im Schreiben so formuliert sein. Andernfalls muss man nicht zur Vernehmung erscheinen.
Als Zeuge ist man zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet. Ein eventuell bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht begründet nicht das Recht zu lügen. Der verweigerungsberechtigte Zeuge darf also schweigen, aber nicht lügen. Andernfalls droht ihm eine Strafe wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) oder Meineid (§ 154 StGB).
Ist es sinnvoll, sich als Verlobter auszugeben, um eine Aussage verweigern zu können?
Da § 52 Abs. 1 gleich unter Nr. 1 Verlobte als zeugnisverweigerungsberechtigt nennt, kann die Berufung auf eine bestehende Verlobung sinnvoll sein, wenn man den Partner nicht durch eine Aussage belasten möchte. Freund oder Freundin einer oder eines Beschuldigten haben dieses Recht dagegen nicht. Formelle Vorschriften für eine Verlobung, die nachgewiesen werden müssten, gibt es nicht. Es müssen lediglich beide Teile die Verlobung bestätigen.
Was tun, wenn ich mich als Zeuge selbst beschuldigen würde?
Nicht selten ist in der Praxis am Anfang eines Strafverfahrens noch nicht klar, ob eine betroffene Person Zeuge oder Beschuldigter ist. Offiziell beginnt die Beschuldigteneigenschaft erst mit der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Tatverdächtigen. Auch eine Maßnahme nach der StPO wie die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b kann die Einstufung als Beschuldigter begründen.
§ 55 StPO sieht ein gesetzliches Auskunftsverweigerungsrecht vor, wenn für den Zeugen die Gefahr besteht, sich durch seine Aussage selbst oder einen nahen Angehörigen zu belasten. Ob ein Auskunftsverweigerungsrecht tatsächlich besteht, sollte vorab im Einzelfall genau durch einen Rechtsanwalt geprüft werden. Vor der Vernehmung muss der Zeuge über dieses ihm gesetzlich zustehende Recht belehrt werden.
Was kann geschehen, wenn ich eine Zeugenaussage verweigere?
Wer unberechtigt eine Zeugenaussage verweigert, kann vom Gericht gemäß § 70 StPO mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Falls dieses nicht gezahlt werden kann, ist die Verhängung von Ordnungshaft möglich. Gleiches gilt gemäß § 51 StPO beim Ausbleiben des Zeugen trotz ordnungsgemäßer Ladung. In beiden Fällen hat er zudem die durch sein Verhalten entstandenen Kosten zu tragen.
Zur Erzwingung einer Zeugenaussage kann nach § 70 Abs. 2 StPO sogar Haft (sogenannte Beugehaft) angeordnet werden.
Vor Aussage Anwalt einschalten!
Bestehen bei Ihnen Zweifel, ob Sie die Aussage als naher Angehöriger, aufgrund Ihrer beruflichen Stellung oder wegen der Gefahr sich selbst zu belasten verweigern dürfen, sollten Sie sich vor Ihrer Vernehmung unbedingt mit einem Rechtsanwalt beraten.
Dr. Brauer Rechtsanwälte sind bundesweit als Strafverteidiger tätig. Wir haben Kanzleistandorte in Bonn, Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg und München. Dr. Matthias Brauer ist Fachanwalt für Strafrecht. Nehmen Sie einfach per WhatsApp, Telefon oder E-Mail Verbindung mit uns auf oder nutzen Sie unser Kontaktformular. Schildern Sie uns Ihre Frage – unsere Ersteinschätzung ist kostenlos und unverbindlich.
Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
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