Bereits seit der Flüchtlingskrise 2015, aber auch im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen hat sich die politische Debatte in der deutschen Gesellschaft weiter verschärft. Immer häufiger werden die Grenzen des strafrechtlich Zulässigen überschritten.
Im Fokus stehen dabei oft Äußerungen in sozialen Medien (Facebook, Twitter, Telegram und Co.) - es folgen oftmals Strafverfahren wegen Volksverhetzung.
Zum Teil geschieht das bewusst zur Provokation des Gegners, zum Teil ist es aber auch Unwissenheit über verschiedene Strafvorschriften, mit denen der Gesetzgeber vor allem Minderheiten vor Anfeindungen schützen will.
Zu den wichtigsten strafrechtlichen Normen in diesem Bereich gehört § 130 StGB. Dieser wurde erst kürzlich um den Absatz 5 vom Gesetzgeber ergänzt und somit erweitert.
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- Was ist Volksverhetzung?
- Besonderheiten bei Hasskommentare in den sozialen Medien?
- Hausdurchsuchung wegen § 130?
- Wie passen Volksverhetzung und Meinungsfreiheit zusammen?
- Welche Strafe steht auf Volksverhetzung gemäß § 130 StGB?
- Vorladung wegen Volksverhetzung erhalten - was nun?
- Wie kann ein Anwalt nach einer Anzeige wegen Volksverhetzung helfen?
Was ist Volksverhetzung?
Seit der grundlegenden Reform des Paragrafen 1960 gab es zahlreiche Änderungen und Erweiterungen. Sie haben dazu haben, dass die Norm immer weniger übersichtlich wurde. Insbesondere für juristische Laien sind die Vorschriften in den inzwischen sieben Absätzen mit zahlreichen Nummern und Nebensätzen kaum noch zu überblicken.
Im Kern geht es bei § 130 des Strafgesetzbuches um den Schutz von Minderheiten vor Schmähungen und kollektiven Beleidigungen. Bei den Angegriffenen muss es um eine abgrenzbare Personengruppe handeln. So kann man z. B. durch beleidigende Äußerungen über „die Deutschen“ den Tatbestand nicht verwirklichen, weil es sich nach herrschender Meinung dabei nicht um klar umgrenzte Personengruppe handelt. Außerdem sind bestimmte Aussagen über die Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus untersagt.
Nachfolgend erläutern wir die wichtigsten vom § 130 erfassten Handlungsalternativen näher.
Störung des öffentlichen Friedens durch Gewaltaufrufe
Absatz 1 Nr. 1 stellt die Störung des öffentlichen Friedens durch den Aufruf zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegenüber bestimmten Gruppen unter Strafe. Umfasst sind davon:
- nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen
- Teile der Bevölkerung
- Einzelnen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer der oben genannten Gruppen oder zu einem Teil der Bevölkerung
Absatz 1 Nr. 2 stellt die Störung des öffentlichen Friedens durch einen Angriff auf die Menschenwürde anderer unter Strafe. Dabei geht es wieder um die oben genannten Gruppen bzw. Teile der Bevölkerung, die in diesem Fall beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.
Typische Beispiele für Gruppen, gegen die volksverhetzende Äußerungen vorkommen, sind:
- Ausländer
- Türken
- Muslime
- Juden
- Türken
- Zigeuner (Sinti und Roma)
- Flüchtlinge und Asylbewerber
Verbreitung von strafbaren Inhalten
Absatz 2 richtet sich gegen
- die Verbreitung oder
- das öffentliche Zugänglichmachen oder
- das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen an Personen unter 18 Jahren von bestimmten strafbaren Inhalten.
Strafbar ist der Inhalt dann, wenn er gegen einen der in Absatz 1 erwähnten Personenkreise
- zum Hass aufstachelt
- zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen auffordert oder
- deren Menschenwürde angreift, indem sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.
Ebenfalls strafbar macht sich, wer solche Inhalte herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, oder bewirbt. Und schließlich auch noch die Ein- oder Ausfuhr solcher Inhalte strafbar, wenn sie in der erwähnten Weise verwendet werden sollen.
Unter dem hier mehrfach erwähnten Begriff „Inhalt“ versteht man nach § 11 Absatz 3 StGB alles, was in Schriften, auf Tonträgern oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten ist. Das gilt auch dann, wenn die Inhalte nicht gespeichert, sondern nur durch Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.
Leugnung, Billigung oder Verharmlosung von Völkermorden
Absatz 3 stellt die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung von Völkermorden unter Strafe, sofern sie unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangen wurden (Holocaust-Leugnung). Die Tat muss öffentlich oder in einer Versammlung begangen worden sein und in einer Weise, die den öffentlichen Frieden stört.
Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft
Absatz 4 stellt die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft unter Strafe. Wie in Absatz 3 muss dies öffentlich oder in einer Versammlung geschehen und dadurch der öffentliche Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch gestört werden.
Verbreitung von Inhalten im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus
Absatz 6 verbietet die Verbreitung von Inhalten im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus sowie von Völkermorden und Kriegsverbrechen, die in den Absätzen 3 bis 5 aufgeführt werden.
Billigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung von Völkermorden und Kriegsverbrechen
Mit der am 9. Dezember 2022 in Kraft getretenen Einfügung des neuen Absatzes 5 in den § 130 StGB wird das Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches aufgeführten Tatbestände strafbar.
Konkret handelt es sich um diese Delikte:
- § 6 Völkermord
- § 7 Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- § 8 Kriegsverbrechen gegen Personen
- § 9 Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte
- § 10 Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme
- § 11 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung
- § 12 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung
Diese Taten müssen sich (wie in Absatz 1 Nr. 1) gegen eine „Personenmehrheit“ im Sinne einer durch nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe richten. Ebenso umfasst sind auch in Absatz 5 Teile der Bevölkerung und Äußerungen gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer der erwähnten Gruppen.
Die Einfügung des neuen Artikels 5 hat nach dem Beschluss des Bundestages viel Kritik erfahren. Juristen bemängelten insbesondere den unbestimmten Rechtsbegriff der „gröblichen Verharmlosung“. Was darunter genau zu verstehen ist, werden nun die Gerichte klären müssen. Es ist mit zusätzlichen Strafverfahren zu rechnen.
Mehr Informationen zu diesem Absatz und seinen Hintergründen erhalten Sie hier:
StGB Absatz 5 – Gesetzesänderung bei Volksverhetzung.
Welche Besonderheiten gibt es für Hasskommentare in den sozialen Medien?
Grundsätzlich gelten hier dieselben Regeln wie in anderen Bereichen des Lebens auch. Der Unterschied besteht nur in der vermeintlichen Anonymität des Netzes. Doch immer mehr Menschen müssen schmerzlich erfahren, dass das ein Irrtum ist. Auch im Internet ist Volksverhetzung strafbar. Gleiches gilt für ähnliche Delikte wie:
- Beleidigung (§ 185)
- Verhetzende Beleidigung (§ 192a)
- Bedrohung (§ 241)
- Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126)
- Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111)
Ebenso ist es ein Irrtum zu glauben, die Behörden könnten die Verfasser entsprechender Texte nicht ausfindig machen. Hier und da mag das der Fall sein, doch die technischen und rechtlichen Möglichkeiten der Strafverfolger haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Die meisten Betreiber sozialer Netzwerke liefern inzwischen Daten zu tatverdächtigen Nutzern an die Behörden, nachdem sie dazu gesetzlich verpflichtet wurden.
Hinzu kommt die große Aufmerksamkeit, die das Thema Hasskriminalität in Politik und Medien genießt. Damit steigt der Druck auf Staatsanwaltschaft und Polizei, Anzeigen wegen Hass und Hetze im Netz strenger zu verfolgen. Zudem gibt es immer wieder Gesetzesänderungen im Sinne von Verschärfungen der Rechtslage. Sie betreffen sowohl die Nutzer als auch die Betreiber von sozialen Netzwerken. Ein Beispiel dafür ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aus dem Jahr 2017. Dieses Gesetz wurde inzwischen mehrfach verändert und ergänzt, so u. a. durch das „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vom 30. März 2021 und weitere Änderungen, die im Juni 2021 erfolgten. Damit wurden die Meldepflichten der Netzwerkbetreiber deutlich erweitert. Sie müssen Beiträge und Kommentare, die sie für rechtswidrig halten, nicht nur löschen sondern auch an das Bundeskriminalamt melden. Das betrifft auch Verstöße gegen § 130 StGB. Welche Auswirkungen dieses Gesetz auf die Nutzer hat, erfahren Sie in unserem Artikel „Neue Meldepflicht nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz“.
Die Bundesregierung vertritt inzwischen die Auffassung, dass das NetzDG nicht nur für Netzwerke im engeren Sinne wie Facebook oder Twitter gilt. Auch manche Messengerdienste wie Telegram sollen darunterfallen, wenn sie neben individueller Kommunikation auch Gruppendiskussionen ermöglichen.
Muss man bei Volksverhetzung mit einer Hausdurchsuchung rechnen?
Im Fall eines Ermittlungsverfahrens wegen § 130 kommt es öfter zu Hausdurchsuchungen, weil die Polizei dadurch zu Beweismitteln kommen will, die die Täterschaft des Beschuldigten belegen. Meistens werden dann elektronische Datenträger wie Computer, Telefone oder sonstige Speichermedien beschlagnahmt.
Für die Betroffenen ist das dann häufig ein Schock, da die Hausdurchsuchung in der Regel überraschend und in den frühen Morgenstunden erfolgt.
Hinweise zum richtigen Verhalten in dieser Situation finden Sie in unserem umfangreichen Ratgeber Hausdurchsuchung.
Wie passen Volksverhetzung und Meinungsfreiheit zusammen?
Das Grundgesetz sieht als eines der Grundrechte das Recht auf freie Meinungsäußerung vor. Aber die Meinungsfreiheit ist nicht schrankenlos. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zum Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und § 130 Strafgesetzbuch Stellung bezogen und die Strafrechtsnorm mit all ihren Änderungen für grundgesetzkonform erklärt. Trotzdem gibt es immer wieder einzelne Fälle, in den das BVerfG Urteile der Strafgerichte aufhebt, weil diese die Grenzen der Meinungsfreiheit zu eng gezogen haben. Hier kann eine gute Strafverteidigung ansetzen.
Welche Strafe steht auf Volksverhetzung gemäß § 130 StGB?
Die Strafen unterscheiden sich je nach Handlungsalternative.
- Für die beiden Varianten in Absatz 1 sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Geldstrafe ist nicht möglich.
- Für die Verbreitung volksverhetzender Inhalte muss man mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe rechnen.
- Für die Leugnung des Holocaust ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe zu rechnen.
- Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
- Ebenfalls eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe ist für die Billigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches aufgeführten Tatbestände vorgesehen.
Wie verhalte ich mich, wenn ich eine Vorladung wegen Volksverhetzung erhalte?
Die erste goldene Regel bei Vorladungen zur polizeilichen Vernehmung ist immer: Machen Sie von Ihrem Schweigerecht als Beschuldigter Gebrauch. Die Verweigerung der Aussage darf später vor Gericht nicht negativ gewertet werden, denn sie ist eine Grundregel im deutschen Strafverfahrensrecht. Sie sind nur verpflichtet, Ihre Personalien anzugeben.
Einer Vorladung der Polizei müssen Sie zudem nicht Folge leisten. Nur wenn Sie von der Staatsanwaltschaft vorgeladen werden oder von der Polizei im direkten Auftrag der Staatsanwaltschaft müssen Sie erscheinen. Auch dann haben Sie aber ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht, das übrigens auch für nahe Angehörige gilt.
Nach der Absage des Termins bei der Polizei sollten Sie Verbindung zu einem Rechtsanwalt aufnehmen. Es empfiehlt sich eine frühzeitige Kontaktaufnahme, um alle Möglichkeiten zu nutzen, die die Strafprozessordnung bietet.
Weitere wichtige Hinweise, wie Sie auf eine Vorladung reagieren sollten, finden Sie in unserem Artikel Vorladung bei der Polizei als Beschuldigter.
Wie kann ein Anwalt nach einer Anzeige wegen Volksverhetzung helfen?
Im besten Fall kann ein erfahrener Strafverteidiger im politischen Strafrecht durch eine fachlich fundierte Argumentation die Einstellung des Verfahrens bewirken. Andernfalls wird er vor Gericht auf eine möglichst milde Strafe hinwirken. Gerade im Fall der Volksverhetzung empfiehlt sich ein Fachanwalt für Strafrecht. Als Experte kennt er die vielen Fallstricke dieses Paragrafen und kann Sie deshalb optimal verteidigen.
Für eine erfolgreiche Verteidigung ist die Einsicht in die Ermittlungsakte von großer Bedeutung. Akteneinsicht kann aber nur ein Rechtsanwalt beantragen, nicht der Beschuldigte selbst.
Haben Sie eine Vorladung wegen Volksverhetzung erhalten? Dann zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt zu Dr. Brauer Rechtsanwälte auf. Unsere Kanzlei ist auf Strafrecht spezialisiert. Wir sind bundesweit als Strafverteidiger tätig und haben Kanzleistandorte in Bonn, Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg und München. Melden Sie sich per Telefon, WhatsApp, E-Mail oder das Kontaktformular für eine kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falles!
Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
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