Eine Vorladung als Zeuge sorgt bei vielen Betroffenen erst einmal für Unsicherheit. Oft besteht in dieser Situation Unklarheit über die Pflichten und Rechte, die mit einer Zeugenaussage verbunden sind.
In diesem Artikel erfahren Sie unter anderem, ob man bei der Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Gericht erscheinen muss, wann man die Aussage verweigern kann und wie eine Zeugenvernehmung abläuft. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf das Strafrecht. Für andere Rechtsgebiete gelten teilweise abweichende Regeln.
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- Wann muss ich einer Vorladung als Zeuge Folge leisten?
- Vom Zeugen zum Beschuldigten – ist das möglich?
- Wann kann ich als Zeuge eine Aussage verweigern?
- Ablauf einer Zeugenvernehmung bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft
- Darf ich die Polizei anlügen? Welche Konsequenzen können auf mich zukommen?
- Kann ich die Zeugenaussage schriftlich einreichen?
- Kann ich meine Aussage vor der Polizei später widerrufen?
- Werden bei einer Zeugenaussage die Fahrtkosten erstattet?
- Hat man Anspruch auf Freistellung wegen einer Zeugenaussage?
- Zeugenbeistand – was ist das und was nützt er?
Wann muss ich einer Vorladung als Zeuge Folge leisten?
Ob man einer Vorladung Folge leisten muss, kommt immer darauf an, wer geladen hat. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob Sie von der Polizei vorgeladen werden oder von der Staatsanwaltschaft. Gerne thematisieren wir dies näher für Sie.
Vorladung als Zeuge von der Polizei – muss ich da hin?
Auch wenn die Polizei in ihren Schreiben an Zeugen oft den Eindruck erweckt: Zu einer polizeilichen Vernehmung als Zeuge müssen Sie nicht erscheinen. Man muss nicht einmal zwingend den Termin absagen.
Seit 2017 gibt es aber eine wichtige Ausnahme: Das Erscheinen als Zeuge bei der Polizei ist Pflicht, wenn die Vernehmung ausdrücklich durch die Staatsanwaltschaft angeordnet wurde. In diesem Fall kann man die Vorladung nicht einfach ignorieren, sondern muss erscheinen. Ob man dann wirklich aussagen muss oder ob ein Aussageverweigerungsrecht besteht, ist ein anderes Thema, auf das wir weiter unten eingehen.
Bei einer polizeilichen Vorladung müssen Sie also unbedingt darauf achten, ob aus dem Schreiben ein Auftrag der Staatsanwaltschaft hervorgeht. Wenn Sie sich unsicher sind, ob ein solcher Auftrag vorliegt, sollten Sie einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Trotz der Gesetzesänderung ist die einfache polizeiliche Vernehmung in Ermittlungsverfahren weiterhin die Regel.
Vorladung als Zeuge von der Staatsanwaltschaft – kann ich diese verweigern?
Bei einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft müssen Sie dort erscheinen. Andernfalls können Zwangsmittel eingesetzt werden, z. B. kann die Polizei in die Wohnung kommen und Sie dort vernehmen.
Ladung als Zeuge vor Gericht: Ist es Pflicht, zu erscheinen?
Ebenso wie bei einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft muss man gemäß § 48 StPO als vorgeladener Zeuge auch vor Gericht erscheinen. Bei einer Verweigerung der Zeugenaussage kann das Gericht Zwangsmittel wie Ordnungsgeld und sogar Ordnungshaft verhängen. Auch eine Vorführung des Zeugen durch die Polizei ist möglich.
In manchen Fällen müssen Zeugen von weither anreisen, um an einem Strafprozess teilzunehmen. Wenn man dann dort zur Sachaufklärung nichts beizutragen hat, stehen Aufwand und Nutzen in keinem sinnvollen Verhältnis. Als geladener Zeuge kann man dann versuchen, die Ladung abzuwenden, indem man das Gericht vorher rechtzeitig darauf aufmerksam macht. Wenn sich der für das Verfahren zuständige Richter aber nicht darauf einlässt, hat man zur Verhandlung zu erscheinen und auszusagen.
Vom Zeugen zum Beschuldigten – ist das möglich?
Es kommt immer wieder vor, dass gerade am Beginn eines Ermittlungsverfahrens der Tathergang und die Tatbeteiligten noch nicht eindeutig feststehen. Unter Umständen kann es dann passieren, dass der bei einer Straftat anwesende Zeuge zum Beschuldigten wird.
Damit ändern sich aber Regeln zur Aussagepflicht. Als Beschuldigter hat man nach dem deutschen Strafprozessrecht ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht. Niemand muss sich selbst belasten. Im Gegensatz zu anderen verweigerungsberechtigten Personenkreisen ist diese Regel nicht ausdrücklich in der Strafprozessordnung erwähnt. Sie ergibt sich aber indirekt aus § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, in dem die Belehrung des Beschuldigten über sein Aussageverweigerungsrecht vorgeschrieben wird.
Als Zeuge ist man dagegen grundsätzlich zur Aussage verpflichtet. Auf Ausnahmen von der Regel gehen wir im nächsten Abschnitt ein. Die Gefahr, sich selbst zu belasten, ist nicht selten gegeben. Zeugen können sich zudem auch unabsichtlich selbst belasten. Wenn hier ansatzweise eine Gefahr besteht, sollten man sich an einen Anwalt wenden, der die Sach- und Rechtslage prüft.
Liegt kein rechtlicher Grund zum Schweigen vor, besteht eine Verpflichtung zur Aussage. Es ist aber zulässig, sich auf mangelnde Erinnerung zu berufen. Geradezu geboten ist es, wenn man sich tatsächlich nicht mehr erinnern kann, weil z. B. die Tat schon länger zurückliegt. In diesem Fall darf man auch nichts hinzuerfinden.
Wann kann ich als Zeuge eine Aussage verweigern?
Neben dem Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen und damit zum Beschuldigten zu werden (siehe oben), gibt es noch eine Reihe weiterer Zeugnisverweigerungsrechte, beispielsweise für Angehörige oder bestimmte Berufsgruppen. Nachfolgend gehen wir genauer darauf ein.
Aussageverweigerungsrecht für Zeugen bei nahen Angehörigen
Zum Schutz des Familienfriedens erlaubt § 52 StPO nahen Angehörigen, die Aussage zur Sache als Zeuge im Verfahren zu verweigern.
Als nahe Angehörige gelten:
- Eheleute (auch nach der Scheidung)
- eingetragene Lebenspartner (auch nach der Trennung)
- Verlobte
- Eltern
- Großeltern
- Kinder (auch Stiefkinder)
- Geschwister (auch Halbgeschwister)
- Onkel oder Tante
- Schwager oder Schwägerin
Kein Zeugnisverweigerungsrecht haben dagegen:
- nicht eingetragene Lebenspartner
- Stiefgeschwister untereinander
Macht ein naher Angehöriger von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch, so ist er vor Gericht zu einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Lügen zur Verteidigung des angeklagten Verwandten sind nicht erlaubt.
Aussageverweigerungsrecht als Zeuge bei bestimmten Berufsgruppen
Neben Verwandten und nahen Angehörigen dürfen gemäß § 53 StPO auch bestimmte Angehörige bestimmter Berufsgruppen in einem Strafverfahren die Zeugenaussage verweigern.
Dazu gehören insbesondere:
- Geistliche
- Ärzte und Zahnärzte
- Apotheker
- Steuerberater
- Wirtschaftsprüfer
- Abgeordnete
- Notare
- Rechtsanwälte insbesondere Strafverteidiger
Letztere sind sowohl durch § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO als auch aufgrund ihrer Schweigepflicht nach § 203 StGB zum Schweigen berechtigt und verpflichtet.
Bei den Berufsgruppen ist das Recht auf Zeugnisverweigerung auf Tatsachen beschränkt, die ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut wurden oder bekanntgeworden sind. Es gibt für sie demzufolge kein generelles Recht zur Verweigerung der Zeugenaussage, nur weil man Angehöriger einer dieser Berufsgruppen ist.
Ablauf einer Zeugenvernehmung bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft
Die Vernehmung als Zeuge bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft folgt klaren Regeln. Zunächst müssen die Formalien eingehalten werden. Sie gelten unabhängig davon, ob Sie am Sitz der Behörde oder vielleicht schon am Tatort vernommen werden.
Zunächst muss der Zeuge wahrheitsgemäße Angaben zu den Personalien machen. Ein Verstoß des Zeugen kann nach § 111 OWiG als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Dann folgt die Erklärung des Sachverhalts, also das Thema der Vernehmung. Es folgt die Belehrung zum Auskunftsverweigerungsrecht. Daran schließt sich die Anweisung zu einer wahrheitsgemäßen Aussage an. Am Ende des formalen Teils muss der Zeuge bestätigen, dass er die Belehrung verstanden hat.
Erst danach darf die Aussage zur Sache erfolgen. Hier soll der Zeuge zunächst eine Sachverhaltsschilderung über die von ihm gemachten Wahrnehmungen abgeben. Danach muss er auf Fragen des vernehmenden Polizeibeamten oder Staatsanwalts antworten.
Darf ich die Polizei anlügen? Welche Konsequenzen können auf mich zukommen?
Trotz der Ermahnung zur wahrheitsgemäßen Aussage sind falsche Angaben gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft nicht strafbar. Der Grund dafür liegt in § 153 StGB, der eine falsche uneidliche Aussage (Falschaussage) unter Strafe stellt. Allerdings gilt der Paragraf nur „vor Gericht und oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung ... zuständigen Stelle“. Darunter fallen Polizei und Staatsanwaltschaft aber nicht.
Gleichwohl sollte man sich sehr genau überlegen, was man bei einer polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung aussagt. Es können sonst andere Straftatbestände wie z. B. falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) oder üble Nachrede (§ 186 StGB) in Betracht kommen, wenn gegen eine andere Person wahrheitswidrig aussagt.
Sagt man vor Gericht als Zeuge nicht die Wahrheit, begeht man eine Straftat. Eine falsche uneidliche Aussage wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Eine Geldstrafe ist nicht möglich. Beim Vorwurf eines Meineides droht gemäß § 154 StGB sogar eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr.
Kann ich die Zeugenaussage schriftlich einreichen?
Sofern eine Zeugenaussage schriftlich erfolgen kann, erfahren Sie das aus dem Anschreiben der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Vor allem bei verkehrsrechtlichen Delikten gibt es häufig diese Möglichkeit. Bei einer schriftlichen Zeugenaussage haben Sie die gleichen Rechte und Pflichten wie bei einer mündlichen Vernehmung.
Kann ich meine Aussage vor der Polizei später widerrufen?
Eine Aussage, die bereits zu Protokoll genommen wurde, kann nicht mehr zurückgezogen werden. Sie verbleibt in der Ermittlungsakte. Überlegen Sie sich deshalb genau, was Sie aussagen.
Möglich ist aber eine spätere Korrektur oder Ergänzung Ihrer Zeugenaussage. Der Inhalt der früheren Vernehmung wird dadurch aber nicht ungültig, sondern kann weiterhin im Strafverfahren verwertet werden.
Werden bei einer Zeugenaussage die Fahrtkosten erstattet?
Bei einer Aussage bei der Staatsanwaltschaft vor Gericht haben Sie immer einen Erstattungsanspruch für die Fahrtkosten. Sie müssen ihn bei der Gerichtskasse einreichen. Das entsprechende Formular liegt der Ladung bei. Die Höhe der Fahrtkosten muss durch Belege nachgewiesen werden, z. B. Fahrscheine.
Wenn Sie eine Zeugenvorladung von der Polizei bekommen haben, ist die Sache etwas komplizierter. Wurde die Polizei auf ausdrückliche Anordnung der Staatsanwaltschaft tätig, besteht ebenfalls ein Rechtsanspruch auf Erstattung. Wird die Polizei dagegen von sich aus tätig, kommt es darauf an, in welchem Bundesland Sie wohnen. Ob es bei Ihnen der Fall ist, können Sie der Ladung entnehmen, die auch Hinweise für die Beantragung der Zeugenentschädigung enthält, sofern das nach dem Polizeirecht des Bundeslandes vorgesehen ist. Wenn ja, gelten die Hinweise wie oben zur Erstattung bei Gericht.
Hat man Anspruch auf Freistellung wegen einer Zeugenaussage?
Der Arbeitgeber hat die rechtliche Pflicht, Arbeitnehmer wegen einer Zeugenaussage bei der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht freizustellen. Dafür muss man nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen.
Darüber hinaus muss Ihnen auch ein Verdienstausfall erstattet werden. Aufgrund dieses gesetzlichen Entschädigungsanspruchs hat man als Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Das erforderliche Formular für die Antragstellung bei der Gerichtskasse liegt üblicherweise der Ladung bei. Wichtig: Lassen Sie sich die Uhrzeit des Endes der Vernehmung durch den Richter oder Staatsanwalt auf dem Formular bestätigen!
Zeugenbeistand – was ist das und was nützt er?
Als Zeuge hat man einen gesetzlichen Anspruch zur Hinzuziehung eines Zeugenbeistands, z. B. eines Strafverteidigers. Die Kosten dafür müssen Sie allerdings als Zeuge in der Regel selbst tragen.
In manchen Fällen kann gemäß § 68b Abs. 2 StPO ein Zeugenbeistand auf Kosten der Staatskasse beigeordnet werden. Das ist möglich, wenn der Zeuge keinen anwaltlichen Beistand hat und seinen schutzwürdigen Interessen nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Es müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Zeuge seine Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen kann.
Typische Fälle sind Vernehmungen von minderjährigen Zeugen, von erwachsenen Zeugen, die als Opfer einer Straftat aussagen sollen oder von Personen, die aus anderen Gründen in ihrer Aussagefähigkeit beeinträchtigt sind.
Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie einer Vorladung als Zeuge nachkommen müssen oder nicht allein zur Zeugenaussage bei der Polizei, Staatsanwaltschaft oder vor Gericht erscheinen wollen, sollten Sie sich Rat von einem Anwalt für Strafrecht einholen.
Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
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