Wer einer Straftat beschuldigt wird (oder schon öfter als Straftäter in Erscheinung getreten ist), muss mit einer Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung rechnen.
Hat man so ein Schreiben im Briefkasten, stellt sich die Frage: Muss ich dieser Vorladung Folge leisten? Und was genau besagt § 81b StPO?
In diesem Artikel erklären wir, was im Fall der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen wie zum Beispiel die Abgabe von Fingerabdrücken zulässig ist und wie man sich als Betroffener gegebenenfalls dagegen wehren kann.
Gegen Sie läuft ein Strafverfahren?
Keine Zeit verlieren
Jetzt Kontakt aufnehmen!
Erfahrene Anwälte für Strafrecht
Schnelle Hilfe - deutschlandweit
Kostenlose Ersteinschätzung
- Was ist eine erkennungsdienstliche Behandlung?
- Welche erkennungsdienstlichen Maßnahmen gibt es?
- Wie lange dürfen nach § 81b StPO erhobene Daten gespeichert werden?
- Kann man die Maßnahmen verweigern?
- Was tun bei einer Vorladung zur ED-Behandlung?
- Wie kann ein Anwalt wegen einer erkennungsdienstlichen Behandlung helfen?
Was ist eine erkennungsdienstliche Behandlung?
Hier zunächst die Vorschrift der Strafprozessordnung im Wortlaut:
§ 81b Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten
Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
Unter einer erkennungsdienstlichen Behandlung versteht man die Erfassung personenbezogener und biometrischer Daten. Der § 81b der Strafprozessordnung (StPO) sieht zwei Alternativen als Grund für die Anordnung vor:
- gegen Beschuldigte in einem aktuellen Strafverfahren
- zur Prävention künftiger Straftaten (Gefahrenabwehr)
Erste Voraussetzung ist die Beschuldigteneigenschaft der betroffenen Person, bei der die Maßnahme durchgeführt werden soll. Dafür müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die nach pflichtgemäßem Ermessen der Strafverfolgungsbehörden den Verdacht einer Straftat rechtfertigen. Bloße Vermutungen reichen für den Tatvorwurf nicht aus. Bei Kindern sind ED-Maßnahmen generell unzulässig, weil sie keine Beschuldigten im Sinne der Strafprozessordnung sein können.
Erkennungsdienstliche Maßnahmen können nach § 163b Absatz 1 Satz 3 StPO auch zur Identitätsfeststellung durchgeführt werden. In diesem Fall braucht keine Beschuldigteneigenschaft vorzuliegen. Die Maßnahme muss aber zur Feststellung der Identität einer Person tatsächlich erforderlich sein.
Werden in einem Ermittlungsverfahren generell ED-Maßnahmen durchgeführt?
Nein, § 81b StPO schreibt ausdrücklich vor, dass die Maßnahmen für das Strafverfahren oder für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig sein müssen. Es besteht daher keinesfalls immer die Notwendigkeit des „Vollprogramms“ beim Erkennungsdienst nach dem Vorliegen eines Verdachts.
Nicht zulässig sind ED-Maßnahmen bei Bagatelldelikten wie etwa viele Taten nach dem Betäubungsmittelgesetz. Zudem muss eine Sachaufklärungspflicht der Strafverfolger gemäß § 244 Abs. 2 StPO vorliegen.
ED-Behandlung außerhalb von Ermittlungsverfahren?
Nach § 81b (2. Alternative) und den Polizeigesetzen der Bundesländer ist es erlaubt, auch außerhalb eines Ermittlungsverfahren – zu präventiven Zwecken – ED-Maßnahmen durchzuführen. Aufgrund der Schwere des Grundrechtseingriffs darf die Polizei das nur, wenn aufgrund der Art und Schwere der bisherigen Taten ein besonderes Interesse an der ED-Behandlung und zudem Wiederholungsgefahr besteht.
Welche erkennungsdienstlichen Maßnahmen gibt es?
Zwei besonders häufige Maßnahmen werden in § 81b StPO direkt genannt:
- die Anfertigung von Lichtbildern (Fotos)
- die Abnahme von Fingerabdrücken.
Daneben gibt es noch weitere zulässige Maßnahmen wie
- Handflächenabdrücke
- Ermittlung von äußeren körperlichen Merkmalen wie Narben, Muttermale oder Tätowierungen
- Messung der Körpergröße und des Gewichts
- Schriftproben
Der Polizei ist es auch erlaubt, das äußere Erscheinungsbild der betroffenen Person zu verändern, z. B. das Entfernen von Schminke oder einer Perücke anzuordnen, wenn das für die Aufklärung der vorgeworfenen Straftat notwendig ist. Gleiches gilt – in den Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – für die Veränderung bzw. Entfernung von Kopf- und Gesichtsbehaarung.
Mehrere andere erkennungsdienstliche Maßnahmen und körperliche Eingriffe fallen nicht unter § 81b StPO. Sie dürfen deshalb nicht einfach von der Polizei angeordnet werden, sondern bedürfen eines richterlichen Beschlusses. Dazu zählen:
- Röntgenaufnahmen
- Entnahme von Blutproben
- Messung von Puls- und Atembewegungen
- Entnahme von DNA-Material
- Speicherung von sozialen Verhaltensweisen eines Beschuldigten
- Sprachproben
Wie lange dürfen nach § 81b StPO erhobene Daten gespeichert werden?
Hier kommt es erneut auf den Grund für die Maßnahme an. Für die 1. Alternative (Zweck: Strafverfolgung) dürfen die Daten nur bis zum Abschluss des Verfahrens gespeichert werden. Ein Straferfahren kann mit Einstellung, Verurteilung oder Freispruch enden.
Anders sieht es bei der 2. Alternative (Zweck Prävention) aus. Hier dürfen die Daten dauerhaft gespeichert werden, jedenfalls soweit eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Das bedeutet, die Speicherung ist auch dann zulässig, wenn in einem konkreten Strafverfahren gar kein für den Angeklagten negatives Urteil ergangen ist. Er muss lediglich mehrfach ähnliche Taten begangen haben. In der Rechtsprechung umstritten ist, ob bereits eine einmalige Verurteilung wegen bestimmter Delikte, etwa dem Besitz von Kinderpornographie, für eine dauerhafte Speicherung ausreicht.
Kann man die Maßnahmen verweigern?
Das ist in der Praxis schwierig, weil erkennungsdienstliche Maßnahmen auch zwangsweise durchgeführt werden können. § 81b StPO sieht ausdrücklich vor, dass zulässige Maßnahmen auch gegen den Willen des Beschuldigten durchgeführt werden dürfen. Allerdings muss niemand dabei aktiv mitwirken, sondern die Durchführung nur passiv dulden.
Gegen die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen können nur die jeweils zulässigen Rechtsbehelfe etwas bringen. (siehe dazu weiter unten)
Was kann ich tun, wenn ich eine Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erhalte?
Für das weitere Vorgehen gegen eine ED-Maßnahme ist von großer Bedeutung, welche der beiden Alternativen vorliegt. In den meisten Fällen geht es um die Anordnungen aufgrund eines aktuellen Ermittlungsverfahrens („aus Verfahrenszwecken“). Geht aus einer polizeilichen Vorladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht genau hervor, welcher der beiden Gründe vorliegt, sollte das telefonisch erfragt werden. (Aber auch nur das – lassen Sie sich in dem Zusammenhang auf keine weiteren Gespräche ein!)
Je nachdem, welche Alternative vorliegt, stehen unterschiedliche Rechtsbehelfe zur Verfügung. Das Beschreiten des Rechtswegs gegen die Anordnung einer ED-Maßnahme mithilfe eines Rechtsanwalts ist sinnvoll, weil dadurch oftmals eine schnellere Akteneinsicht erfolgen kann. Das ist auch vorteilhaft für das eigentliche Verfahren und die Vorbereitung der Beschuldigtenvernehmung.
Maßnahme nach § 81b StPO (1. Alternative)
Handelt es sich um die Anordnung der Polizei oder Staatsanwaltschaft zu erkennungsdienstlichen Zwecken in einem Strafverfahren, dann kann eine richterliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO eingeholt werden. Im Fall einer gerichtlichen Anordnung ist eine Beschwerde dagegen nach § 304 StPO möglich.
In beiden Fällen hat der Antrag aber keine aufschiebende Wirkung. Wenn Sie einen Strafverteidiger einschalten, kann dieser ggf. mit Polizei und Gericht abklären, dass die Durchführung der ED-Maßnahme bis zur Entscheidung durch das Gericht zurückgestellt wird.
Maßnahme nach § 81b StPO (2. Alternative)
Bei Anordnungen zu präventiven Zwecken handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der auf dem Verwaltungsrechtsweg angefochten werden kann. Sofern das Widerspruchsverfahren im jeweiligen Bundesland noch besteht, muss zunächst Widerspruch eingelegt werden. Danach oder sofort – je nach Rechtslage – kann Anfechtungsklage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Im Fall von besonderer Eilbedürftigkeit muss beim Verwaltungsgericht einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden.
Anders als bei der 1. Alternative haben Widerspruch bzw. Klage aufschiebende Wirkung. Es sei denn, die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Dann muss Antrag auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden.
Wie kann ein Anwalt wegen einer erkennungsdienstlichen Behandlung helfen?
Im Fall der Vorladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung sollten Sie sofort Kontakt zu einem Strafverteidiger aufnehmen. Er kann Akteneinsicht beantragen und dabei prüfen, ob die Anordnung einer ED-Maßnahme rechtlich zulässig war. Es kommt öfter vor, dass eine ED-Behandlung zur Aufklärung einer Straftat gar nicht erforderlich ist. Sofern eine Chance für eine erfolgreiche Klage besteht, wird der Anwalt das entsprechende Rechtsmittel für Sie einlegen und den weiteren Kontakt mit Gericht und Behörden übernehmen.
Als Beschuldigter einer Straftat sollten Sie gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft auf keinen Fall Angaben zur Sache machen, sondern nur Ihre Personalien angeben. Sie haben ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht. Wie oben dargestellt, kann eine ED-Maßnahme aber gegen Ihren Willen durchgesetzt werden. Bewahren Sie deshalb auch in dieser unangenehmen Situation Ruhe und gehen Sie nicht verbal oder körperlich gegen die Beamten vor.
Sollte die Maßnahme rechtswidrig gewesen sein und das erst nach der Durchführung festgestellt werden, müssen die erhobenen Daten selbstverständlich gelöscht werden.
Falls Sie eine Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung erhalten haben, können Sie ich gern an Dr. Brauer Rechtsanwälte wenden. Unsere Kanzlei ist auf Strafrecht spezialisiert und bundesweit tätig. Dr. Matthias Brauer ist Fachanwalt für Strafrecht. Wir haben Kanzleistandorte in Bonn, Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg und München.
Nehmen Sie einfach per Telefon, WhatsApp, E-Mail oder das Kontaktformular Verbindung mit uns auf. Unsere Erstscheinschätzung Ihres Falles ist kostenlos und unverbindlich.
Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
Sie benötigen Hilfe von einem Anwalt für Strafrecht? Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung und nehmen Sie Kontakt zu uns auf!
Wichtiger Hinweis: Sämtliche Informationen auf unserer Website und in unserem Rechtsblog dienen ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle Beratung durch einen Anwalt nicht ersetzen. Bei jeglichen rechtlichen Angelegenheiten müssen immer die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden. Auch wenn wir unsere Inhalte stets aktualisieren, kann sich die Rechtslage durch neue Urteile oder Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Wenn Sie eine rechtssichere Auskunft zu Ihrem speziellen Problem benötigen, kontaktieren Sie uns für eine persönliche Beratung. Unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos.