Vor allem in Jugendgerichtsverfahren, zunehmend aber auch darüber hinaus, ist oft vom Täter-Opfer-Ausgleich die Rede.
Worum es sich dabei handelt, wie er genau funktioniert und welchen Vorteil er für einen Täter vor Gericht haben kann, erklären wir in diesem Rechtstipp.
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- Was ist der Täter-Opfer-Ausgleich?
- Wiedergutmachung als Strafmilderungsgrund?
- Wird der Beschuldigte trotz des Täter-Opfer-Ausgleichs bestraft?
- Wie erfolgt der Ausgleich erlittener Schäden zwischen Täter und Opfer?
- Wie ist der Ablauf des außergerichtlichen Täter-Opfer-Ausgleichs?
- Praktische Umsetzung und Organisation eines TAO
- Wann macht eine Schadenswiedergutmachung Sinn?
- Sollte man einen Rechtsanwalt einschalten?
Was ist der Täter-Opfer-Ausgleich?
Der Täter-Opfer-Ausgleich (kurz TOA) ist eine Form der außergerichtlichen Konfliktlösung, die darauf abzielt, die Auswirkungen einer Straftat auf das Opfer zu minimieren und den Täter zur Verantwortung zu ziehen, ohne dass es dabei zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommt. Das Verfahren findet außerhalb des Gerichts statt. Es ist also unabhängig von einer Gerichtsverhandlung. Die beiden Parteien arbeiten dabei zusammen, um eine Vereinbarung zu treffen, die oft eine finanzielle Entschädigung des Opfers, eine Entschuldigung oder die Verpflichtung zu einer gemeinnützigen Arbeit durch den Täter beinhaltet. Dazu weiter unten mehr.
Der TOA kann sowohl vor als auch nach einer strafrechtlichen Verurteilung stattfinden und eine positive Wirkung auf die Beteiligten haben, indem er zu einer schnellen und zufriedenstellenden Lösung des Konflikts beiträgt.
Ein TOA kommt vor allem bei leichten und mittleren Delikten in Betracht. Das sind z. B.:
- Diebstahl
- Betrug
- Körperverletzung
- Beleidigung
- Nötigung
- Hausfriedensbruch
- Sachbeschädigung
Rechtlich geregelt ist der Täter-Opfer-Ausgleich im Strafgesetzbuch in § 46a StGB. Demnach kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern oder ganz von Strafe absehen. Letzteres ist aber nur möglich, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen für das Delikt vorgesehen ist.
Darüber hinaus ist der TOA im Jugendstrafrecht in § 10 Jugendgerichtsgesetz (JGG) verankert. Dort ist er in Absatz 1 Nr. 7 ausdrücklich als mögliche zusätzliche Weisung aufgeführt. Staatsanwaltschaft und Gericht können vom Beschuldigten verlangen, dass dieser sich um einen Ausgleich mit dem Geschädigten bemüht.
In der Strafprozessordnung hat der TOA seinen Niederschlag gefunden. Gemäß § 155a StPO sollen Staatsanwaltschaft und Gericht in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeit eines TOA prüfen und in dafür geeigneten Fällen auf einen solchen hinwirken. Nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StPO kann eine Einstellung des Verfahrens erfolgen, wenn der mutmaßliche Beschuldigte gemäß einer entsprechenden Auflage ernsthafte Bemühungen um einen TOA nachweisen kann.
Täter-Opfer-Ausgleich – Wiedergutmachung als Strafmilderungsgrund?
Der Täter-Opfer-Ausgleich kann unter bestimmten Voraussetzungen als Strafmilderungsgrund gelten. Wenn der Täter vor der Hauptverhandlung freiwillig am TOA teilgenommen hat und die Vereinbarung zwischen ihm und dem Geschädigten erfüllt hat, kann dies als ein Zeichen dafür gewertet werden, dass er sich seiner Verantwortung gestellt und versucht hat, den Schaden, den er verursacht hat, wiedergutzumachen. Dies kann dazu führen, dass das Gericht bei der Festsetzung der Strafe eine mildere Entscheidung trifft. Allerdings ist die Entscheidung, ob ein TOA als Strafmilderungsgrund berücksichtigt wird, letztendlich vom Richter abhängig. Ein Rechtsanspruch des Angeklagten auf Strafmilderung leitet sich aus § 46a StGB nicht ab.
Wird der Beschuldigte trotz des Täter-Opfer-Ausgleichs bestraft?
Der Täter-Opfer-Ausgleich ist kein Ersatz für die Strafverfolgung. Wenn eine Straftat begangen wurde, ist es wichtig, dass der Täter für sein Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen wird. Eine Teilnahme am Täter-Opfer-Ausgleich bedeutet nicht automatisch, dass der Täter straflos davonkommt.
In der Regel wird der Täter nach wie vor Gericht gestellt und strafrechtlich verfolgt. Der TOA ist eine zusätzliche Maßnahme, die darauf abzielt, den Konflikt zwischen Täter und Opfer zu lösen und eine Wiederholung der Straftat zu vermeiden. Durch die Wiedergutmachung kann der Straftäter dazu beitragen, das Vertrauen des Geschädigten wiederherzustellen und möglicherweise auch seine Strafe verringern. Das liegt aber in der Hand des Gerichts. Einen gesetzlichen Anspruch gibt es nicht.
Wie erfolgt der Ausgleich erlittener Schäden zwischen Täter und Opfer?
Der Ausgleich kann auf verschiedene Weise erfolgen, je nach den Umständen des Einzelfalls und den Bedürfnissen der Beteiligten. Einige mögliche Formen des Ausgleichs können sein:
- Finanzielle Entschädigung: Der Straftäter kann dem Geschädigten eine finanzielle Entschädigung, z. B. Schmerzensgeld, anbieten.
- Wiedergutmachung: Der Straftäter kann durch gemeinnützige Arbeit oder andere Aktivitäten, die das Opfer unterstützen oder einen Nutzen für die Gemeinschaft haben, eine Form der Wiedergutmachung leisten.
- Entschuldigung: Der Straftäter kann sich bei dem Opfer entschuldigen und Verantwortung für seine Tat übernehmen.
- Mediation: Straftäter und Geschädigter können sich in einem Mediationsverfahren treffen, um die Tat und ihre Auswirkungen zu besprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist.
Wie ist der Ablauf des außergerichtlichen Täter-Opfer-Ausgleichs?
Beim Täter-Opfer-Ausgleich handelt es sich um ein strafrechtliches Konzept außerhalb der eigentlichen Strafgerichtsbarkeit. Folgender Ablauf ist vorgesehen:
- Initiative: Der Täter schlägt den TOA vor.
- Zustimmung: Beide Parteien - Täter und Opfer - müssen dem TOA freiwillig zustimmen, um daran teilnehmen zu können.
- Vermittlung: Ein unabhängiger Vermittler, der oft von einer spezialisierten Organisation ernannt wird, arbeitet mit Täter und Opfer zusammen, um eine Vereinbarung zu treffen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Umstände beider Parteien zugeschnitten ist.
- Treffen: In der Regel finden mehrere Treffen zwischen Täter, Opfer und Vermittler statt, bei denen sie die Tat, ihre Auswirkungen und mögliche Lösungen besprechen.
- Vereinbarung: Wenn sich Täter und Opfer auf eine Vereinbarung einigen, wird diese in einem Vertrag schriftlich festgehalten und von beiden Parteien unterschrieben.
- Umsetzung: Nach dem Abschluss der Vereinbarung muss diese auch tatsächlich erfüllt werden. Der Mediator überwacht die Einhaltung durch die Beteiligten.
Wie wird der Täter-Opfer-Ausgleich praktisch umgesetzt?
Beim Täter-Opfer-Ausgleich werden der Täter und das Opfer mit Hilfe eines unabhängigen Vermittlers zusammengebracht, um am Ende eine Vereinbarung zu treffen. Die vorgesehenen Schritte sind:
- Kontaktaufnahme: Der Vermittler kann vom Opfer, Täter, der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder einem Gericht kontaktiert werden, um zu sehen, ob beide Parteien freiwillig an einem TOA teilnehmen möchten.
- Vorbereitung: Der Vermittler bereitet die Parteien auf das Treffen vor, klärt ihre Erwartungen und Erklärungen zur Vertraulichkeit und Neutralität.
- Treffen: In der Regel finden mehrere Treffen statt, bei denen der Vermittler die Parteien bei der Diskussion der Tat und ihrer Auswirkungen unterstützt.
- Vereinbarung: Wenn sich Täter und Opfer auf eine Vereinbarung einigen, wird diese in einem Vertrag schriftlich festgehalten und von beiden Parteien unterschrieben.
Wer organisiert den Täter-Opfer-Ausgleich?
Der Täter-Opfer-Ausgleich wird in der Regel von speziell geschulten Vermittlern, auch als Mediatoren oder Konfliktlotsen bezeichnet, organisiert und begleitet. Diese Vermittler sind unabhängig und neutral und haben die Aufgabe, den Täter und das Opfer bei der Lösung des Konflikts zu unterstützen. Bei den Mediatoren handelt es sich in der Regel um Angestellte aus dem Sozialen Dienst der Justiz. Sie sind sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht geschult.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Täter-Opfer-Ausgleich ein sensibles Verfahren ist, bei dem es darum geht, die Bedürfnisse und Gefühle des Opfers zu respektieren und gleichzeitig dem Täter die Möglichkeit zu geben, Verantwortung zu übernehmen und seine Tat wiedergutzumachen. Daher ist es wichtig, dass die Vermittler, die den Täter-Opfer-Ausgleich durchführen, speziell geschult und qualifiziert sind, um die bestmögliche Unterstützung und Begleitung für alle Beteiligten zu gewährleisten.
Wann macht eine Schadenswiedergutmachung Sinn?
Sie kann in verschiedenen Situationen Sinn machen. Im Allgemeinen ist eine Wiedergutmachung sinnvoll, wenn eine Person durch das Handeln einer anderen Person oder Organisation Schaden erlitten hat und eine Reparatur des entstandenen materiellen Schadens oder ein Ersatz erforderlich ist. Einige mögliche Situationen, in denen eine Schadenswiedergutmachung sinnvoll sein kann, sind:
- Straftaten: Wenn eine Person Opfer einer Straftat wie Diebstahl, Sachbeschädigung oder Körperverletzung wurde, kann eine Schadenswiedergutmachung in Form von Geld, Reparaturen oder Ersatz für beschädigte oder gestohlene Gegenstände in Erwägung gezogen werden.
- Unfälle: Wenn eine Person durch einen Unfall verletzt oder ihr Eigentum beschädigt wurde, kann eine Schadenswiedergutmachung in Form von Reparaturen, Ersatz oder Entschädigung in Betracht gezogen werden.
- Vertragsverletzungen: Wenn eine Person einen Vertrag mit einer anderen Person oder Organisation hat und diese Vertragspartei den Vertrag verletzt hat, kann eine Schadenswiedergutmachung in Form von Schadensersatz in Betracht gezogen werden.
- Fahrlässigkeit: Wenn eine Person durch die Fahrlässigkeit einer anderen Person oder Organisation verletzt oder ihr Eigentum beschädigt wurde, kann eine Schadenswiedergutmachung in Betracht gezogen werden.
Sollte man beim Täter-Opfer-Ausgleich einen Rechtsanwalt einschalten?
Ob man einen Rechtsanwalt einschalten sollte, hängt von den individuellen Umständen des Falls ab. In der Regel ist ein Rechtsanwalt nicht zwingend erforderlich, da der Täter-Opfer-Ausgleich ein freiwilliger, außergerichtlicher Prozess ist, bei dem eine Vermittlung zwischen dem Täter und dem Opfer stattfindet, um eine Vereinbarung zu treffen, die auf die Bedürfnisse und Umstände beider Seiten zugeschnitten ist. In der Praxis können jedoch verschiedene Faktoren die Entscheidung beeinflussen, ob man einen Rechtsanwalt hinzuzieht oder nicht. Als Täter sollte man jedoch vorab das Vorhaben mit seinem Strafverteidiger absprechen, damit dieser Vorgang auch zur Verteidigungsstrategie passt.
Aus Sicht des Opfers
Wenn das Opfer einer Straftat beispielsweise schwere körperliche Verletzungen erlitten hat oder die Tat besonders schwerwiegend war, sollte ein Anwalt zu Rate gezogen werden, um die Interessen des Geschädigten besser zu vertreten und sicherzustellen, dass eine angemessene Entschädigung erzielt wird. Ein Rechtsanwalt kann auch bei der Überprüfung des Vertrags helfen, um sicherzustellen, dass er fair und ausgewogen ist.
Auf der anderen Seite kann das Einschalten eines Anwalts den TOA-Prozess verkomplizieren und die Chancen auf eine Einigung zwischen Täter und Opfer verringern, z. B. wenn der Anwalt darauf drängt, den Schadenersatz oder die Entschädigung für das Opfer zu erhöhen. Gerade bei größeren Schäden kann es sein, dass ein TOA für das Opfer nicht infrage kommt.
Insgesamt hängt die Entscheidung, ob man als Opfer einen Anwalt hinzuzieht oder nicht, von den Umständen des Falls ab. Bevor man eine Entscheidung trifft, ist es sinnvoll, sich über die Vor- und Nachteile zu informieren und gegebenenfalls mit einem erfahrenen Anwalt zu sprechen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Aus Sicht des Täters
Der Täter sollte immer einen Strafverteidiger mit seiner Vertretung beauftragen. Dieser muss aber nicht zwingend während der Termine mit dem Opfer anwesend sein. Er sollte aber am Ende die erzielte Vereinbarung im Hinblick auf die Interessen seines Mandanten prüfen.
Die Zustimmung des Täters zum Täter-Opfer-Ausgleich setzt allerdings ein Geständnis voraus. Deshalb sollte vorher ein Strafverteidiger hinzugezogen werden, der Chancen und Risiken abwägt. Ob aus Sicht eines Beschuldigten ein TOA sinnvoll ist oder nicht, hängt immer von den Umständen des konkreten Falles ab und kann deshalb nicht pauschal beantwortet werden.
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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
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