Das Amtsgericht Sonthofen hat die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen angeblicher Verabredung zu einem Sexualverbrechen im Chat abgelehnt.
Nach Ansicht des Gerichts fehlte es an einem ernsthaften Bindungswillen im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB.1
Das Landgericht Kempten bestätigte die Entscheidung und wies die Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurück.
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Hintergrund der Entscheidung
Mit einer aktuellen Entscheidung hat die Justiz im Allgäu den Komplex der „sexualdeliktischen Äußerungen“ konkretisiert.
Bislang betraf die höchstrichterliche Rechtsprechung aus dieser Fallgruppe hauptsächlich verschriftete Fantasien der Angeschuldigten – etwa in Bezug auf den sexuellen Verkehr mit Minderjährigen. Diese wurden grundsätzlich als straflos im Sinne der §§ 184b, 184c StGB bewertet (BGHSt 58, 197; OLG Stuttgart NStZ-RR 2025, 10).23
Im hier gegenständlichen Fall war das vorgeworfene Geschehen jedoch deutlich komplexer. Dem Angeschuldigten wurde vorgeworfen, er habe auf einer australischen (!) Chat-Plattform versucht, kenianische Frauen (!) zum „Verkauf“ ihrer Kinder für sexuelle Missbrauchshandlungen zu überreden.
Beweisrechtliche Probleme
Für die Verteidigung stellten sich zunächst erhebliche beweisrechtliche Fragen. Zum einen war die Meldung aus Australien nicht validierbar. Die angebliche Sachbearbeiterin der Mitteilung, die als eine Art Administratorin der Website auftrat, kam schwerlich als Zeugin in einer Hauptverhandlung im Allgäu in Betracht.
Zum anderen wurde die IP-Adresse einem Hotel zugeordnet, sodass unklar blieb, wer überhaupt Zugriff auf die Plattform hatte.
Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Kempten
In rechtlicher Hinsicht bewertete die Staatsanwaltschaft Kempten die Chatverläufe des Angeschuldigten als Verabredung zu einem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 StGB.1
Die Tragfähigkeit dieser Rechtsansicht war jedoch zweifelhaft, da aus den Chats nicht eindeutig hervorging, wie ernst und konkret die Absicht des Beschuldigten tatsächlich gemeint war.
Entscheidung des Amtsgerichts Sonthofen
Mit Beschluss vom 22. Juli 2025 (1 Ls 110 Js 9504/24) entschied das Amtsgericht Sonthofen, dass das Hauptverfahren nicht eröffnet wird.
Hierzu führte es mit Verweis auf interessante Fundstellen aus:
„Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten war gemäß §§ 203, 204 Abs. 1 StPO aus rechtlichen Gründen abzulehnen,45 da das Gericht davon ausgeht, dass der Angeklagte zwar die ihm zur Last gelegten Chats auf der Plattform geführt hat, diese jedoch nicht strafbar gemäß § 30 Abs. 2 StGB sind.1
Zunächst ist festzustellen, dass der Inhalt der Chats, soweit es die Kommunikation des Angeschuldigten angeht, auf unterster moralischer Stufe einzuordnen ist und alleine die Erwägung der beschriebenen Taten mit der verwendeten Sprache als äußerst verwerflich anzusehen ist. Allerdings ist das Gericht der Überzeugung, dass die strafbare Schwelle des § 30 Abs. 2 StGB in keinem der Fälle erreicht ist.1
Gemäß § 30 Abs. 2 1. Variante StGB wird derjenige bestraft, der sich bereiterklärt ein Verbrechen zu begehen. Das Sich-Bereit-Erklären im Sinne von § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB besteht in der Kundgabe der Bereitschaft zur Begehung der Verbrechen gegenüber einer anderen Person, wonach der Erklärende dem Empfänger gegenüber im Wort steht und nicht mehr uneingeschränkt von seinem Tatentschluss zurückstehen kann (Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2003, § 28 Nr. 5). Der Zweck des § 30 II StGB besteht in der Bekämpfung von Gefahren für das geschützte Rechtsgut durch eine motivationale Bindung des Täters (vgl. BT-Drs. V/409513).
Der Angeschuldigte hat sich zwar bereiterklärt zum Geschlechtsverkehr mit den Kindern der Chatpartnerinnen, jedoch wollte dieser keinerlei Bindung den Müttern gegenüber eingehen, sodass die bloße Kundgabe ein Verbrechen begehen zu wollen, den Tatbestand des § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB nicht erfüllt. Vielmehr muss die Erklärung darauf gerichtet sein, sich gegenüber dem Adressaten zu binden, sei es in Form der Annahme einer durch diesen gemachten Aufforderung, sei es in Form eines aktiven Sich-Erbietens diesem gegenüber in der Erwartung, dass er dem Deliktsplan zustimmen werde. Diese beabsichtigte Selbstbindung macht es erforderlich, dass die Erklärung ernsthaft und konkret sein muss (BGHSt 6, 346).6 Eine Strafbarkeit nach der Tatbestandsalternative des § 30 Abs. 2 StGB setzt die vom ernstlichen Willen getragene Einigung mehrerer Personen voraus an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich, also nicht nur als Gehilfen, mitzuwirken [...]
So verwerflich die Unterhaltungen, die der Angeschuldigte mutmaßlich geführt hat auch sein mögen, so wenig ist anzunehmen, dass die Chatpartnerinnen, sollten dies wirklich kenianische Frauen mit entsprechenden Töchtern im entsprechenden Altern sein, sich fest binden wollten, die Vergewaltigung ihrer Töchter zu planen.“
Beschwerde der Staatsanwaltschaft und Entscheidung des Landgerichts Kempten
Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde gemäß §§ 210 Abs. 2, 310 StPO ein.78 Das Landgericht Kempten verwarf diese Beschwerde jedoch als unbegründet mit Beschluss vom 28. August 2025 (2 Qs 120/25).
Zur Begründung führte es unter Wiederholung der materiell-rechtlichen Erwägungen und Ergänzung der tatsächlichen Beweisschwierigkeiten aus:
„Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. […] Die Kammer hat bereits Bedenken, ob die in der Mitteilung der [Plattform] genannten IP-Adresse ausschließlich dem Beschuldigten zugerechnet werden kann, da ausweislich [der Angaben des Netzanbieters] zu entnehmen ist, dass diese der Firma Hotel … zugeordnet wird und daher ein größerer Personenkreis in Frage kommt. […] Darüber hinaus teilt die Kammer die Ausführungen des Amtsgerichts […] Der nach der Rechtsprechung verlangte Bindungswille ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Auch in der angeklagten Variante des „Sich-Bereit-Erklärens“ bedarf es eines ernstlichen Willens des Anbietenden, welcher über eine Kundgabe hinausgeht. […] Dazu sind die Erklärungen in den Chatinhalten zu vage.“
Fazit
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Sie verdeutlicht, dass auch moralisch höchst verwerfliche Chatäußerungen nur dann strafbar sind, wenn ein hinreichend konkreter und ernstlicher Bindungswille nachweisbar ist.
Damit grenzen die Gerichte im Allgäu klar zwischen verwerflicher Gesinnung und strafbarem Verhalten im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB.
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Über den Autor
Patrick Bass
Rechtsanwalt und Strafverteidiger Patrick Bass verfügt vor allem im Strafrecht über eine große Praxiserfahrung. Er ist fester Bestandteil unseres Verteidigerteams und vertritt Mandanten bei allen strafrechtlichen Anschuldigungen.
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Quellen
- § 30 StGB – Versuch und Verabredung – gesetze-im-internet.de ↩︎ ↩︎ ↩︎ ↩︎
- BGHSt 58, 197 – Rechtsprechung zu sexualdeliktischen Äußerungen – dejure.org ↩︎
- OLG Stuttgart, NStZ-RR 2025, 10 – dejure.org ↩︎
- § 203 StPO – Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens – gesetze-im-internet.de ↩︎
- § 204 StPO – Ablehnung der Eröffnung – gesetze-im-internet.de ↩︎
- BGHSt 6, 346 – Anforderungen an ernstlichen Bindungswillen – dejure.org ↩︎
- § 210 StPO – Sofortige Beschwerde – gesetze-im-internet.de ↩︎
- § 310 StPO – Statthaftigkeit der Beschwerde – gesetze-im-internet.de ↩︎














