Als sexuellen Missbrauch versteht man zunächst jede Form der sexuellen Handlung, die gegen den Willen des oder der Betroffenen ausgeübt wird. Ein sexueller Missbrauch liegt auch dann vor, wenn der Betroffene aus Gründen körperlicher, gesundheitlicher oder geistiger Natur der sexuellen Handlung nicht zustimmen kann.
Im Prinzip geht es darum, dass ein Täter seine Macht oder Autoritätsposition ausnutzt, um seine sexuellen Bedürfnisse auf Kosten Dritter zu stimulieren. Das können Kinder und Jugendliche, aber auch erwachsene Personen sein. Den sexuellen Kindesmissbrauch sowie den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen haben wir in eigenen Artikeln thematisiert: Sexueller Missbrauch von Kindern / Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen ist in § 174 StGB geregelt. Dieser Tatbestand wird im Folgenden näher thematisiert. Darüber hinaus gibt es noch den sexuellen Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen (§ 174a StGB), den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174b StGB) und den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (§ 174c StGB).
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Was bedeutet sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen?
Der Gesetzgeber reagierte mit dem Tatbestand auf die eingeschränkte Selbstbestimmung sexueller Natur von Jugendlichen, wenn diese sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Erwachsenen befinden. In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff "sexueller Missbrauch" immer stärker durch "sexualisierte Gewalt" ersetzt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass es bei den sexuellen Handlungen um die Ausübung von Macht und Gewalt geht. Unter sexualisierter Gewalt ist nicht zwingend körperliche Gewalt gemeint. Vielfach wird auf das minderjährige Opfer "nur" psychischer Druck ausgübt.
Wann liegt Missbrauch gemäß § 174 StGB vor?
Sexuelle Handlungen sind an Personen, die unter achtzehn Jahre alt sind und dem Beschuldigten zur Betreuung in der Lebensführung, zur Ausbildung oder zur Erziehung anvertraut sind, nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB stets strafbar. Abhängigkeit eines Arbeitsverhältnisses, das nicht zu Ausbildungszwecken dient, ist hiervon nicht betroffen.
Ebenso strafbar ist nach Absatz 1 Nr. 2 der Missbrauch von Personen unter achtzehn Jahren gefordert, welcher mit der Betreuungs-, Ausbildungs-, Erziehungs- oder über das Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit einhergeht. Hier muss in der Regel eine Ausnutzung der Autoritätsstellung im Dienst seitens des Beschuldigten vorliegen. Damit gilt der Straftatbestand auch für das Arbeitsverhältnis. Hierfür muss der Jugendliche jedoch in der Hierarchie des Arbeitsverhältnisses der Untergeordnete sein. Also kann sich in derlei gearteten Fällen kein gleichrangiger Arbeitskollege, sondern nur ein Vorgesetzter schuldig machen.
Weiter sieht § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB Strafbarkeit bzgl. sexueller Handlungen vor, die ein Täter an adoptierten oder leiblichen Kindern vornimmt. Hierbei ist das Ausnutzen eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses nicht notwendig.
Nach Absatz 1 Satz 2 wird auch bestraft, wer (unter den Voraussetzungen des Satzes 1) den ihm anvertrauten Minderjährigen dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vozunehmen oder von einer dritten Person an sich vornehmen zu lassen.
Wer ist Schutzbefohlener im Sinne des Gesetzes?
Nach § 174 des Strafgesetzbuches gilt als Schutzbefohlener ein Jugendlicher, welcher einer anderen Person zu Erziehungszwecken anvertraut wurde. Hiervon spricht man, so die Lebensführung eines Jugendlichen sowie dessen Entwicklung durch die andere Person überwacht und geleitet wird. Es handelt sich demnach also in der Regel um die Eltern (hierbei auch Pflegeeltern und Adoptiveltern) sowie andere dem Haushalt zugehörige, erziehungsberechtigte Personen. Auch Stiefeltern sind von dieser Vorschrift seit Januar 2015 erfasst.
Lehrern sind die zu unterrichtenden Schüler gemäß § 174 Abs. 1 StGB anvertraut. Gemeint sind Fachlehrer und Klassenlehrer. Bei Lehrpersonal, welches aushilfsweise einspringt, war lange Zeit eine Gesetzeslücke vorhanden. In solchen Fällen bestand nach BGH-Rechtsprechung kein erforderliches Obhutsverhältnis zwischen Schüler und Aushilfslehrer. Dementsprechend kam es vermehrt zu Verfahren, in welchen der Vertretungslehrer aufgrund mangelnden „Anvertrautseins“ des Schülers gemäß § 174 freigesprochen wurde. Daher wurde, zur Schließung dieser Strafbarkeitslücke, der neue Absatz 2 im Januar 2015 in den Straftatbestand eingefügt, der seitdem auch eine Beziehung sexueller Natur zwischen Vertretungslehrer und Schüler erfasst.
Auch Ausbilder können Täter sein. Ihnen sind zum Beispiel Praktikanten, Auszubildende und Lehrlinge als Schutzbefohlene zugeordnet. Dabei kommt es jedoch nicht zwingend zu einem Unter- und Überordnungsverhältnis. Hier muss deswegen der jeweilige Einzelfall geprüft werden, um festzustellen, inwieweit der Tatbestand gemäß § 174 StGB erfüllt sein kann. Dabei ist es allerdings unerheblich, ob eventuelle sexuelle Handlungen in der Freizeit oder während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Kein Ausbildungsverhältnis besteht in der Regel hingegen bei Tanzlehrern, Nachhilfelehren oder Fahrlehrern.
Welche Strafe droht bei sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen nach § 174 StGB
Der Strafrahmen von § 174 StGB Absatz 1 und 2 liegt bei Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Das Gesetz sieht eine Geldstrafe somit nicht vor. Dennoch kann es gewisse Milderungsgründe geben, die auch die Verurteilung zu einer Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe noch möglich machen. Zu konkreten Aussagen bezüglich der Möglichkeiten einer Einstellung des Verfahrens oder zu erwartender Strafen kann Sie jedoch nur spezialisierter Strafverteidiger nach Akteneinsicht richtig beraten. Diese leiten sich individuell aus den Gegebenheiten des jeweiligen Falls ab.
Wer sexuelle Handlungen vor dem anvertrauten Minderjährigen vornimmt, um sich selbst oder diesen zu erregen oder den Minderjährigen auffordert, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen, wird nach Absatz 3 mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
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Anwalt bei sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen
Läuft gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellem Missbrauch sollten Sie unbedingt zwei goldene Regeln beachten:
- Nutzen Sie Ihr Aussageverweigerungsrecht und machen Sie bei einer Vorladung unter keinen Umständen Angaben zu den Vorwürfen. Auch wenn Sie glauben mit einer Aussage die Tat ausräumen zu können, sollten Sie den Sachverhalt zuerst mit einem Anwalt absprechen.
- Kontaktieren Sie unverzüglich einen Rechtsanwalt, der sich auf Sexualstrafrecht spezialisiert hat und Erfahrung im Strafrecht (Fachanwalt) mitbringt.
Beim Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung handelt es sich um eine hochkomplexe juristische Materie. Das Gericht, bzw. die Staatsanwaltschaft müssen Ihnen nachweisen, dass sexuelle Handlungen einer gewissen Erheblichkeit vorliegen. Sämtliche Vorwürfe und ihre Stichhaltigkeit können nur durch eine Akteneinsicht geprüft werden. Akteneinsicht kann nur ein Anwalt vornehmen.
Ein durchsetzungsstarker Strafverteidiger weiß genau, wo er im Rahmen einer erfolgsorientierten Verteidigung ansetzen muss, und geht strategisch vor. Beim Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen muss das Opfer tatsächlich ein Schutzbefohlener im juristischen Sinne sein. Hieraus ergeben sich in der Praxis oft, neben dem Wahrheitsgehalt der Anschuldigung, Ansatzpunkte für eine effektive Strafverteidigung.
Bei Sexualdelikten geht es in der Regel nicht nur um strafrechtliche Sanktionen. Bei allen Straftaten aus dem Katalog des Sexualstrafrechts drohen ernste berufliche und private Konsequenzen. Vor allem Beschäftigte im öffentlichen Dienst oder Beamte – Erzieher, Lehrer oder Soldaten – haben erhebliche beamten- und dienstrechtliche Konsequenzen zu fürchten. Ab einer Strafe mit Freiheitsentzug ab einem Jahr erfolgt automatisch die Aberkennung des Beamtenstatus. Doch auch unter dieser Grenze kann die Kündigung drohen, so denn eine Verurteilung erfolgt. Die Schulgesetzte der einzelnen Länder sehen weitere Disziplinarverfahren vor.
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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Dr. Matthias Brauer ist Rechtsanwalt und ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht. Seit Jahren vertritt er mit seiner Kanzlei "Dr. Brauer Rechtsanwälte" bundesweit Mandanten bei strafrechtlichen Anschuldigungen.
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