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Verjährung: Welche Fristen gelten im Strafrecht?

Verjährung: Welche Fristen gelten im Strafrecht

Straffreiheit durch Verjährung:
Wann verjähren Strafen und Straftaten?

Wer eine Straftat begeht muss – mit einer Ausnahme – nicht damit rechnen, deshalb bis ans Lebensende verfolgt zu werden. Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht bestimmte Fristen für die Verjährung von Straftaten vor, die in den §§ 78 und 79 geregelt sind.

Man unterscheidet dabei zwischen der Verfolgungsverjährung und der Vollstreckungsverjährung. In diesem Artikel finden Sie alles, was man zum Thema Verjährung im Strafrecht wissen sollte.




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Was ist der Unterschied zwischen Verfolgungsverjährung und Vollstreckungsverjährung?

Die Strafverfolgungsbehörden können sich nicht unendlich lange Zeit mit der Verfolgung einer Straftat beschäftigen. Entscheidende Zeitpunkte für die Strafverfolgung sind der Zeitpunkt der Straftat, die strafrechtlichen Ermittlungen und die Erhebung der Anklage. Die Verfolgungsverjährung beschreibt die Frist, innerhalb derer eine begangene Tat zur Anklage gebracht werden muss. Ist die Verfolgungsverjährung eingetreten, muss das Ermittlungsverfahren endgültig eingestellt werden.

Die Vollstreckungsverjährung bezieht sich dagegen auf den Zeitraum zwischen dem Ergehen des Urteils und der Vollstreckung der darin verhängten Strafe. Auch hier bleibt den zuständigen Behörden nicht unendlich viel Zeit, um ein ergangenes Urteil durchzusetzen. In der Praxis kann es vor allem dann zu einer Vollstreckungsverjährung kommen, wenn sich ein Verurteilter der Strafvollstreckung durch Flucht für lange Zeit entzieht.

In den folgenden Abschnitten erfahren Sie, welche Fristen es für die beiden Arten der Verjährung im Strafrecht gibt.




Verfolgungsverjährung nach § 78 StGB: Wann verjährt eine Straftat?

Nach dem Eintritt der Verfolgungsverjährungsfrist können die Strafverfolgungsbehörden nicht mehr gegen Täter ermitteln. Die Verjährungsfrist richtet sich nach dem Höchstmaß im Strafrahmen für die jeweilige Straftat im StGB.

Gemäß § 78 StGB gelten die folgenden Verjährungsfristen:


Höchststrafmaß laut StGB Beispiel Verfolgungsverjährungsfrist
Lebenslange Freiheitsstrafe Raub mit Todesfolge nach § 251 StGB 30 Jahre
Freiheitsstrafe von mehr als 10 Jahren Schwere Brandstiftung nach § 306a StGB 20 Jahre
5 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe Gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB 10 Jahre
1 bis 5 Jahre Freiheitsstrafe Besitz von Drogen nach § 29 BtMG 5 Jahre
Bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe Beleidigung nach § 185 StGB 3 Jahre


Praktisches Beispiel für die Anwendung von § 78 StGB

Zur Verdeutlichung soll der Tatbestand "Falsche Verdächtigung" dienen:

Nach § 164 Abs. 1 StGB beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Das Höchstmaß sind demzufolge fünf Jahre Haft. Demnach beträgt die Frist für die Verfolgungsverjährung in diesem Fall gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 fünf Jahre.

Hat der Täter die falsche Verdächtigung begangen, um eine Strafmilderung oder das Absehen von Strafe zu erreichen, gilt nach § 164 Abs. 3 StGB ein anderer Strafrahmen: Die Tat ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Die Höchststrafe beträgt also zehn Jahre Haft. Trotz der schwereren Strafe erhöht sich die Verjährungsfrist für die Strafverfolgungsverjährung aber nicht. Das gilt nicht nur, wenn eine Tat mit einer höheren Strafe bedroht ist, sondern auch für minder schwere Fälle. Es bleibt bei der festgelegten Verfolgungsverjährungsfrist für den Grundtatbestand – hier von fünf Jahren.



Wie berechnet man die Frist für die Verfolgungsverjährung?

Gemäß § 78a StGB beginnt die Frist, sobald die Tat beendet ist. Falls der Erfolg der Straftat erst später eintritt, beginnt auch die Verjährung erst mit diesem Zeitpunkt.

Durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wird die Verjährungsfrist unterbrochen. In der Praxis ist das von Bedeutung, wenn gegen einen Verdächtigen zunächst ermittelt wird, das Verfahren dann aber vorerst eingestellt werden muss, weil z. B. keine ausreichenden Beweise vorliegen. Wird das Ermittlungsverfahren später wieder aufgenommen, gilt die Zeit der ersten Ermittlung nicht für die Berechnung der Frist. Sie beginnt erst mit der vorläufigen Einstellung zu laufen.



Wann ruht eine Verjährung im Strafrecht?

Für einige Tatbestände, vor allem aus dem Bereich des Sexualstrafrechts, sind hinsichtlich der Verjährung in § 78b StGB Sonderregelungen vorgesehen. Sie sehen das Ruhen der Frist bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers vor. Das betrifft u. a.:

Damit soll insbesondere minderjährigen und jungen Opfern die Möglichkeit gegeben werden, auch zu einem späteren Zeitpunkt den Täter erfolgreich anzuzeigen.



Kann die Frist einer Strafverfolgungsverjährung verlängert werden?

Neben dem Ruhen der Verjährung (siehe oben) kann die Verjährungsfrist auch unterbrochen werden. Die Gründe für eine Unterbrechung sind in § 78c StGB geregelt. Es handelt sich dabei um eine Vielzahl von möglichen Maßnahmen nach der Strafprozessordnung:

  • erste Vernehmung des Beschuldigten,
  • die Bekanntgabe, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist,
  • die Anordnung der Vernehmung oder Bekanntgabe,
  • jede richterliche Vernehmung des Beschuldigten oder deren Anordnung,
  • jede Beauftragung eines Sachverständigen, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist,
  • jede richterliche Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung und entsprechende Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
  • ein Haftbefehl, Unterbringungsbefehl, Vorführungsbefehl und alle richterlichen Entscheidungen, welche diese aufrechterhalten,
  • die Erhebung der öffentlichen Klage (Anklageerhebung),
  • die Eröffnung des Hauptverfahrens,
  • jede Anberaumung einer Hauptverhandlung vor Gericht,
  • ein Strafbefehl oder eine andere dem Urteil entsprechende Entscheidung,
  • eine vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens oder im Verfahren gegen Abwesende zur Ermittlung des Aufenthalts des Angeschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen ergeht,
  • eine vorläufige gerichtliche Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeschuldigten sowie jede Anordnung, die nach einer solchen Einstellung des Verfahrens zur Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten ergeht, oder
  • jedes richterliche Ersuchen, eine Untersuchungshandlung im Ausland vorzunehmen.

Durch jede dieser Maßnahmen wird gemäß § 78c Abs. 3 StGB die Verjährung unterbrochen und beginnt neu zu laufen. Das Gesetz stellt an dieser Stelle aber auch klar, dass die Strafverfolgung spätestens dann verjährt, wenn seit dem Tatzeitpunkt oder dem Eintritt des Erfolges der Tat das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist und – wenn die Verjährungsfrist nach besonderen Gesetzen kürzer ist als drei Jahre – mindestens drei Jahre verstrichen sind.



Sonderfall: Wann verjähren Antragsdelikte?

Bei sogenannten Antragsdelikten gilt für die Verjährungsfrist eine Sonderregelung. Dabei handelt es sich um Straftaten, die nur auf Antrag des Verletzten bzw. Geschädigten verfolgt werden.

Hier beträgt die Frist zur Stellung des Strafantrags gemäß § 77b StGB nur drei Monate ab Kenntnis der Tat und der Person des Täters. Sofern das Opfer zu Tode gekommen ist, können dessen Angehörige höchstens noch sechs Monate lang einen Strafantrag stellen.




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Vollstreckungsverjährung nach § 79 StGB: Wann verjährt eine Strafe?

Die Strafvollstreckungsverjährung betrifft die Umsetzung eines bereits ergangenen Urteils. Es kann nach Ablauf der Frist nicht mehr vollstreckt werden. Die genaue Vollstreckungsverjährungsfrist ist abhängig von der Höhe der im Urteil ausgesprochenen Strafe.

Folgende Verjährungsfristen für die Vollstreckungsverjährung sind in § 79 Abs. 3 StGB vorgesehen:


Höhe der geurteilten Strafe Vollstreckungsverjährung
Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren 25 Jahre
5 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe 20 Jahre
1 bis 5 Jahre Freiheitsstrafe 10 Jahre
Geldstrafen ab 31 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr 5 Jahre
Geldstrafen bis zu 30 Tagessätzen 3 Jahre

Die Vollstreckung von lebenslangen Freiheitsstrafen verjährt gemäß § 79 Abs. 2 StGB nicht.Ebenso ist nach § 79 Abs. 4 keine Vollstreckungsverjährung bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung und der unbefristeten Führungsaufsicht nach § 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3 StGB vorgesehen. Sonstige Fälle der Führungsaufsicht verjähren nach fünf Jahren, ebenso die erste Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Nach zehn Jahren verjähren alle übrigen Maßnahmen.

Die Vollstreckungsverjährungsfrist beginnt ab der Rechtskraft des Urteils zu laufen. Durch die Vollstreckungsverjährung wird nicht das im Urteil ausgesprochene Strafmaß reduziert. Wird ein verurteilter Täter noch innerhalb der Frist festgenommen, muss er die gesamte Strafe absitzen.




Gibt es Straftaten, bei denen laut StGB keine Verjährung vorgesehen ist?

Mord (§ 211 StGB) ist der einzige Tatbestand, für den nach § 78 Abs. 2 StGB keine Verfolgungsverjährung vorgesehen ist. Ein Mörder muss demzufolge immer mit Strafverfolgung rechnen, denn Mord verjährt nie.

Von praktischer Bedeutung ist das heute vor allem bei der Wiederaufnahmen von Ermittlungsverfahren zu Tötungsdelikten, die vor langer Zeit stattfanden. Aufgrund besserer forensischer Möglichkeiten, wie insbesondere der DNA-Analyse, ist die Aufklärung von solchen „Cold Cases“ inzwischen oft möglich. Wird ein Tatverdächtiger ermittelt und die Tat als Mord eingestuft, kann sich der Beschuldigte nicht auf eine Verfolgungsverjährung berufen.




Wann verjähren Ordnungswidrigkeiten?

Vom Strafrecht zu unterscheiden ist das Ordnungswidrigkeitenrecht. Hier gelten die gesonderten Verjährungsfristen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Ebenso wie im StGB wird auch in diesem Gesetz zwischen Verfolgungsverjährung und Vollstreckungsverjährung unterschieden.

Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten

Die Verfolgungsverjährung (zum Begriff siehe oben) ist in § 31 OWiG geregelt und vom Höchstmaß der vorgesehenen Geldbuße abhängig.


Max. Höhe des Bußgeldes Verfolgungsverjährungsfrist
bis zu 1.000 Euro 6 Monate
zwischen 1.001 bis 2.500 Euro 1 Jahr
zwischen 2.501 bis 15.000 Euro 2 Jahre
mehr als 15.000 Euro 3 Jahre

Bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gilt nach § 26 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine Verjährungsfrist von drei Monaten, sofern noch kein Bußgeldbescheid ergangen ist oder Klage erhoben wurde (außer bei Alkohol und Drogen am Steuer). Da die zuständigen Straßenverkehrsbehörden oder Ordnungsämter oft überlastet sind, kommt es bisweilen vor, dass diese Frist nicht eingehalten wird und der Beschuldigte kein Bußgeld zahlen muss. In diesem Fall lohnt sich ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid immer. Deshalb sollte bei Bußgeldbescheiden neben der Prüfung des Verstoßes selbst auch die Einhaltung der Verjährungsfrist überprüft werden.

Vollstreckungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten

Die Vollstreckungsverjährung für Ordnungswidrigkeiten ist in § 34 OWiG geregelt. Sie beträgt bei einem rechtskräftig verhängten Bußgeld

  • von mehr als 1.000 Euro: 5 Jahre
  • bis 1.000 Euro: 3 Jahre



Wie kann ein Rechtsanwalt bei Fragen zur Verjährung helfen?

Wie Sie oben insbesondere bei den zahlreichen Gründen für die Unterbrechung der Verjährungsfrist bei der Verfolgungsverjährung sehen konnten, ist das Thema Verjährung im Strafrecht nicht so leicht zu überschauen. Ein Strafverteidiger oder Fachanwalt für Strafrecht kennt sich mit den jeweils vorgesehen Verjährungsfristen, deren genauer Berechnung und den Ausnahmegründen aus. Sofern die Voraussetzungen gegeben sind, kann er im besten Fall nach erfolgter Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beantragen.

Von eigenständigen Stellungnahmen gegenüber der Polizei oder Staatsanwaltschaft bezüglich des Vorliegens der Verjährung ist dagegen abzuraten. Unter ungünstigen Umständen belastet man sich dabei sogar ungewollt. Wie in jedem anderen Fall sollte bei einer Vorladung zunächst das Aussageverweigerungsrecht wahrgenommen und dann ein Anwalt kontaktiert werden.

Dr. Brauer Rechtsanwälte sind auf Strafrecht und Verkehrsrecht spezialisiert. Die Prüfung von Verjährungsfristen gehört zu unserer täglichen Arbeit. Wir vertreten unsere Mandanten bundesweit und haben Standorte in Bonn, Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg und München. Wenn Sie sich unsicher sind, ob in Ihrem Fall eine Verjährung vorliegt, können Sie sich gern an uns wenden. Nehmen Sie dazu einfach per Telefon, WhatsApp, E-Mail oder über das Kontaktformular Verbindung mit uns auf. Unsere Ersteinschätzung ist kostenlos und unverbindlich. Wir erklären Ihnen den weiteren Ablauf des Strafverfahrens einschließlich der dabei zu erwartenden Kosten.


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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.

Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Matthias Brauer ist Kanzleiinhaber und verfügt vor allem im Strafrecht und Verkehrsrecht über eine große Praxiserfahrung.

Standorte der Kanzlei Dr. Brauer Rechtsanwälte sind in Bonn, Frankfurt am Main, Dresden, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, München und Berlin. Von dort aus vertreten die Anwälte und Strafverteidiger Mandanten aus und in ganz Deutschland.

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Verjährung: Welche Fristen gelten im Strafrecht? Zuletzt aktualisiert: 16.12.2022 von Dr. Matthias Brauer LL.M

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