Verweigern von Hilfe bei Notlage ist strafbar
Viele Menschen sind der Ansicht, dass bei der Verweigerung von Hilfe in Notsituationen immer der Tatbestand „Unterlassene Hilfeleistung“ vorliegt. Doch was ist wirklich nach § 323c StGB strafbar, der diesen Tatbestand regelt? Wo liegt die Grenzen dessen, was man im Notfall für andere tun muss?
Unterlassen Hilfeleistung gilt als sogenanntes „echtes Unterlassungsdelikt“. Anders bei anderen Tatbeständen wird also nicht ein strafbares Handeln geahndet, sondern das Nichthandeln. Daneben wird in dem Paragraphen auch das Behindern von hilfeleistenden Personen unter Strafe gestellt. Alle wichtigen Details erläutern wir in diesem Artikel.
Unsere Inhalte in der Übersicht:
- Welche Voraussetzungen für unterlassene Hilfeleistung?
- Strafbarkeit von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei unterlassener Hilfeleistung?
- Andere Straftaten: Ist Körperverletzung durch Unterlassen möglich?
- Unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge?
- Welche Strafe droht nach § 323c StGB?
- Wann tritt die Verjährung ein?
- Behinderung von hilfeleistenden Personen – Was sollte man unbedingt beachten?
- Hilfe vom Anwalt bei Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung
Sie haben eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erhalten?
Keine Zeit verlieren
Jetzt Kontakt aufnehmen!
- Erfahrene Anwälte für Strafrecht
- Schnelle Hilfe - deutschlandweit
- Kostenlose Ersteinschätzung
Unsere Anwälte sind für Sie auch über WhatsApp erreichbar:
Hier finden Sie unser Kontaktformular
Zunächst der Paragraf des Strafgesetzbuches im Wortlaut:
§ 323c Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen
- Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
- Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.
Welche Voraussetzungen müssen für unterlassene Hilfeleistung gegeben sein?
Der § 323c StGB soll die moralische Pflicht zur Hilfeleistung für andere Personen in einer Notsituation in einem gewissen Rahmen strafrechtlich verbindlich machen. Das bedeutet, dass die Hilfspflicht nicht unendlich ist, sondern bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen. Der tatsächliche Erfolg spielt dabei keine Rolle, im Mittelpunkt steht nur die Hilfeleistung an sich. Außerdem muss noch kein Schaden eingetreten sein, die bloße Gefahr reicht aus.
Was gilt als Unglücksfall bzw. gemeine Gefahr oder Not?
Hilfeleistung bei Unglücksfall
Als Unglücksfall gilt ein plötzlich eintretendes Ereignis, das eine erhebliche Gefahr für ein Individualrechtsgut mit sich bringt. Das sind Leben und Gesundheit, aber auch Freiheit und Eigentum. Typisch ist z. B. ein Unfall im Straßenverkehr.
Es spielt für die Hilfspflicht grundsätzlich keine Rolle, ob der Gefährdete den Unglücksfall selbst herbeigeführt hat. Eine praktische Rolle spielt das beim Suizid. Wenn der Selbsttötungsversuch dazu geführt hat, dass der Suizident handlungsunfähig ist, besteht eine Pflicht zum Helfen. Dagegen ist man gesetzlich nicht verpflichtet, die Person bereits zuvor vom Suizid abzuhalten. Werden hingegen unbeteiligte Dritte durch den Suizidversuch gefährdet, ist eine sofortige Hilfe Pflicht.
Eine Krankheit gilt nicht automatisch als Unglücksfall. Nur wenn sich der Gesundheitszustand plötzlich dramatisch verschlechtert, kommt das Vorliegen eines Unglücksfalls in Betracht. Dann kann zum Beispiel eine Verpflichtung zum Rufen des Rettungsdienstes bzw. Notarztes bestehen. Mitunter gibt es Fälle, bei denen Familienangehörige zu spät den Notruf auslösen und der Angehörige stirbt. Lehnte der Patient allerdings zuvor ausdrücklich die Hilfe ab, liegt keine unterlassene Hilfeleistung vor.
Verpflichtung zur Hilfe bei gemeiner Gefahr oder Not
Die beiden Begriffe Gefahr und Not können sich mitunter überschneiden. „Gemein“ ist im Sinne des heute eher üblichen Wortes „allgemein“ zu verstehen.
Als gemeine Gefahr gilt eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben einer Vielzahl von Personen oder von bedeutenden Sachwerten. Typische Fälle von gemeiner Gefahr sind Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Brände, Giftwolken und ähnliche Umweltverseuchungen zu verstehen. Eine gemeine Gefahr im Sinne des Gesetzes kann auch vorliegen, wenn ein Hindernis auf einer Straße die Verkehrsteilnehmer gefährdet.
Unter einer gemeinen Not ist dagegen eine erhebliche Notlage der Allgemeinheit zu verstehen, z. B. der Ausfall der Strom- oder Wasserversorgung oder der Ausbruch von Seuchen.
Unter welchen Umständen besteht für Außenstehende die Pflicht, Hilfe zu leisten und wann ist man davon befreit?
Die Hilfeleistung muss hinsichtlich der hilfsbedürftigen Person erforderlich sowie für die helfende Person möglich und zumutbar sein.
Erforderlichkeit
Zum Helfen ist man aus strafrechtlicher Sicht nur dann verpflichtet, wenn die Hilfe tatsächlich notwendig ist, um weiteren Schaden abzuwenden. Wenn sich z. B. schon andere Ersthelfer ausreichend um einen Verletzten kümmern, muss man nicht noch selbst dazukommen. Unter Umständen kann das sogar hinderlich sein. Andererseits ist ein Arzt verpflichtet, helfend einzugreifen, wenn bisher vor Ort nur durch medizinische Laien Hilfe für das Opfer eines Verkehrsunfalls geleistet wird.
Möglichkeit
Der Hilfeleistende muss in der konkreten Situation zur Hilfe in der Lage sein. Wenn man zum Beispiel durch einen Unfall selbst in der seinen Möglichkeiten eingeschränkt oder generell behindert ist, ist die Verpflichtung weniger stark als wenn das nicht der Fall ist.
Zumutbarkeit
Niemand muss sich selbst einer erheblichen eigenen Gefahr bei der Hilfe aussetzen. So ist man rechtlich nicht verpflichtet, eine andere Person aus einem brennenden Fahrzeug zu retten, wenn das nur unter Einsatz des eigenen Lebens oder der eigenen Gesundheit möglich wäre. Zumutbar ist aber in jedem Fall das Rufen von Rettungskräften.
Neben der Eigengefährdung kann auch die Verletzung anderer wichtiger Pflichten gegen eine Verpflichtung zur Hilfeleistung sprechen. Dazu gehört die sogenannte Garantenstellung, wie z. B. der Schutz der eigenen Kinder durch die Eltern. So wird man sich nicht einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen, wenn man als Vater das eigene Kind aus einem brennenden Fahrzeug rettet, einer anderen Person darin aber nicht gleichzeitig hilft.
Strafbarkeit von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei unterlassener Hilfeleistung?
Unterlassene Hilfeleistung ist nur dann strafbar, wenn sie vorsätzlich erfolgt ist. Dafür reicht aber schon der sogenannte Eventualvorsatz. Wenn der zur Hilfe Verpflichtete vermutet, dass er hier vielleicht helfen müsste, sich aber nicht weiter darum kümmert, macht er sich nach § 323c StGB strafbar. Es reicht aus, wenn die Folgen des Unterlassens zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen werden.
Wer dagegen nur die erforderliche Sorgfalt bei der Abschätzung seines Handelns außer Acht lässt, macht sich nicht strafbar. Fahrlässiges Unterlassen ist im Strafgesetzbuch nicht erfasst. Die Abgrenzung zwischen strafbarem Eventualvorsatz und strafloser Fahrlässigkeit spielt insbesondere bei der Strafverteidigung eine wichtige Rolle und kann über Verurteilung oder Freispruch entscheiden.
Andere Straftaten: Ist Körperverletzung durch Unterlassen von Hilfe möglich?
Die in § 323c StGB aufgeführten Straftatbestände der unterlassenen Hilfeleistung und der Behinderung von hilfeleistenden Personen sind sogenannte Auffangtatbestände. Sie werden nur angewendet, wenn es keine anderen einschlägigen Tatbestände gibt, die höher bestraft werden. Das kann insbesondere § 223 StGB in Verbindung mit § 13 StGB sein: Körperverletzung durch Unterlassen. Der Strafrahmen ist hier mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe höher als bei § 323c StGB. Gleiches gilt für Fahrlässige Tötung durch Unterlassen gemäß § 222 StGB.
Unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge?
Anders als oft angenommen gibt es keinen eigenen Straftatbestand, der die unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge regelt. Auch beim Eintritt des Todes nach unterlassener Hilfeleistung gelten die gleichen Regeln des § 323c StGB. Möglicherweise kann auch eine Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen gemäß § 227 StGB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 StGB vorliegen.
Welche Strafe droht nach § 323c StGB für unterlassene Hilfeleistung?
Nach § 323c Abs. 1 StGB ist für unterlassene Hilfeleistung eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorgesehen. In der Praxis gibt es meistens eine Strafe in Geldform.
Ihre Höhe wird nach Tagessätzen berechnet. Die Anzahl richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls und individuellen Gegebenheiten beim Täter. So wird die Strafe höher ausfallen, wenn jemand durch die unterlassene Hilfeleistung schwer verletzt wurde oder sogar starb. Auch spielen möglicherweise bereits vorhandene Vorstrafe bei der Strafzumessung eine Rolle. Die Höhe der Tagessätze richtet sich nach dem Einkommen des Beschuldigten.
Kommt es zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, wird diese meistens zur Bewährung ausgesetzt. Voraussetzung dafür ist, dass es keine weiteren Straftaten gab. Andernfalls kann es auch zu einer Haftstrafe kommen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird.
Wann tritt die Verjährung bei unterlassener Hilfeleistung ein?
Unterlassene Hilfeleistung verjährt gemäß der Regeln in § 78 StGB nach drei Jahren. Danach kann die Tat nicht mehr verfolgt werden, auch wenn vielleicht erst dann eine Anzeige erfolgt.
Behinderung von hilfeleistenden Personen – Was sollte man beachten?
Neben der unterlassenen Hilfeleistung in Absatz 1 enthält § 323c StGB in Absatz seit 2017 noch einen weiteren Tatbestand: die Behinderung von Rettungskräften. Damit will der Gesetzgeber jene Personen schützen, die anderen Hilfe leisten und damit ihrer Pflicht nach Absatz 1 nachkommen. Anders als beim Unterlassungsdelikt nach Absatz 1 handelt es sich hier aber um eine aktive Handlung. Das kann z. B. durch das Versperren von Rettungswegen oder durch Gaffer erfolgen, die den Rettern am Unfallort im Weg stehen.
Welche Strafe droht für die Behinderung von Rettungskräften?
Das Strafmaß des § 323c Abs. 2 StGB entspricht der des Absatzes 1: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. In der Regel werden durch die Gerichte Geldstrafen verhängt.
Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erhalten - wie hilft ein Anwalt?
Im Vergleich zu anderen Straftaten ist das Strafmaß des § 323c StGB für unterlassene Hilfeleistung mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe relativ gering. Trotzdem sollte man eine Anzeige nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn neben der eigentlichen Strafe können noch Nebenfolgen drohen. Wurde die Hilfe im Straßenverkehr unterlassen, sind ein mehrmonatiges Fahrverbot, drei Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg und unter Umständen sogar der Entzug der Fahrerlaubnis durch das Gericht möglich. Damit können die Nebenfolgen im Alltag schmerzhafter sein als die Strafe selbst.
Andererseits bestehen auch gute Chancen bei einer sachgerechten Verteidigung. Wie wir oben erläutert haben, ist das Vorliegen des Tatbestands der unterlassenen Hilfeleistung an eine ganze Reihe von Voraussetzungen gebunden. Ob diese tatsächlich vorlagen, kann ein erfahrener Rechtsanwalt aufgrund seiner fachlichen Kompetenz gut einschätzen.
Falls gegen Sie wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt wird: Bevor Sie Angaben zur Sache gegenüber der Polizei machen, sollten Sie deshalb einen Strafverteidiger kontaktieren. Bis dahin ist aus anwaltlicher Sicht unbedingt zum Gebrauch des Schweigerechts zu raten. Als Beschuldigter müssen Sie sich nicht selbst belasten.
Der Anwalt kann nach erfolgter Akteneinsicht die Chancen für eine erfolgreiche Verteidigung realistisch einschätzen und eine entsprechende Strategie entwickeln. Im günstigsten Fall ist sogar die Einstellung des Ermittlungsverfahrens denkbar.
Sie haben eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erhalten und brauchen jetzt anwaltlichen Rat? Dann wenden Sie sich gern an Dr. Brauer Rechtsanwälte. Wir sind bundesweit als Strafverteidiger und Anwälte für Verkehrsrecht tätig. Kanzleistandorte von uns finden Sie in Bonn, Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg und München. Rufen Sie uns einfach oder schreiben Sie uns eine Nachricht per WhatsApp. Alternativ ist auch eine Kontaktaufnahme per E-Mail oder über unser Kontaktformular möglich. Schildern Sie uns kurz Ihren Fall und Sie erhalten von uns eine kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzung. Danach können Sie entscheiden, ob Sie uns das Mandat zu Ihrer Verteidigung erteilen wollen.
Hier finden Sie unser Kontaktformular
Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Matthias Brauer ist Kanzleiinhaber und verfügt vor allem im Strafrecht und Verkehrsrecht über eine große Praxiserfahrung.
Standorte der Kanzlei Dr. Brauer Rechtsanwälte sind in Bonn, Frankfurt am Main, Dresden, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, München und Berlin. Von dort aus vertreten die Anwälte und Strafverteidiger Mandanten aus und in ganz Deutschland.
Sie haben konkrete Fragen oder benötigen einen starken Rechtsbeistand: Dann nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung und sprechen Sie mit einem unserer Experten.
Wichtiger Hinweis: Sämtliche Informationen auf unserer Website und in unserem Rechtsblog dienen ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle Beratung durch einen Anwalt nicht ersetzen. Bei jeglichen rechtlichen Angelegenheiten müssen immer die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden. Auch wenn wir unsere Inhalte stets aktualisieren, kann sich die Rechtslage durch neue Urteile oder Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Wenn Sie eine rechtssichere Auskunft zu Ihrem speziellen Problem benötigen, kontaktieren Sie uns für eine persönliche Beratung. Unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos.