Zuletzt aktualisiert am 16. April 2024
Strafbare Konsequenzen bei einer Scheinselbstständigkeit
Sie sind als Freelancer oder Freiberufler selbstständig? Ihnen wird wegen eines Vertragsverhältnisses Scheinselbstständigkeit vorgeworfen? Sie haben deswegen auch eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung erhalten?
Im vorliegenden Rechtstipp erklären wir Ihnen, wann es sich um eine Scheinselbstständigkeit handelt und ob eine Scheinselbstständigkeit automatisch Steuerhinterziehung bedeutet. Zudem erhalten Sie Informationen zur Strafe und wie sich Beschuldigte verhalten sollten.
Hier finden Sie Antworten auf Ihre Fragen:
- Was ist Scheinselbstständigkeit juristisch betrachtet?
- Wie wird Scheinselbstständigkeit geprüft?
- Ist Scheinselbstständigkeit Schwarzarbeit?
- Ist Scheinselbstständigkeit automatisch Steuerhinterziehung?
- Welche Konsequenzen hat Scheinselbstständigkeit?
- Was soll ich beim Vorwurf der Scheinselbstständigkeit tun?
Ihnen wird Scheinselbstständigkeit oder Steuerhinterziehung vorgeworfen?
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Was ist Scheinselbstständigkeit juristisch betrachtet?
Berufliche Selbstständigkeit kann auf zwei Arten verwirklicht werden:
- Als Freiberufler oder
- als "freier Mitarbeiter", auch "Freelancer" genannt.
Der Unterschied liegt in der Art des Gewerbes: Freiberufler (z. B. Ärzte, Notare, Anwälte, Künstler usw.) müssen kein Gewerbe anmelden und dementsprechend auch keine Gewerbesteuer zahlen.
Freie Mitarbeiter hingegen arbeiten auf Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen ohne direktes Anstellungsverhältnis beim Auftraggeber. Dadurch sind sie nicht weisungsgebunden und nicht sozialversicherungspflichtig, dafür aber gewerbesteuerpflichtig.
Wenn nun jemand vertraglich als freier Mitarbeiter (also Selbstständiger) für ein Unternehmen arbeitet, dieses Arbeitsverhältnis aber de facto die Merkmale eines Anstellungsverhältnisses besitzt, handelt es sich um Scheinselbstständigkeit. Ein solches Verhältnis muss nicht in betrügerischer Absicht zustande kommen, sondern kann sich auch unbeabsichtigt einstellen. Daher ist es wichtig, beim Abschluss von Dienst- und Werkverträgen darauf zu achten, dass keine Scheinselbstständigkeit entsteht. Dies gilt für Arbeitgeber und auch für Freelancer.
Typische Merkmale einer Scheinselbstständigkeit
Es gibt kein eindeutiges Kriterium für Scheinselbstständigkeit. Entscheidend ist, dass in der Praxis der Status des freien Mitarbeiters in entscheidenden Punkten dem eines Arbeitnehmers gleicht. Beispiele hierfür sind etwa:
- Keine anderen Einkommensquellen des freien Mitarbeiters (5/6 des Jahreseinkommens).
- Weisungsgebundenheit und Berichtspflicht gegenüber dem Auftraggeber.
- Vertraglich vereinbarter Urlaub.
- Äußerliches Auftreten des Freelancers als Angestellter (Arbeitskleidung des Unternehmens, keine eigenen Arbeitsmaterialien, Arbeitsräumlichkeiten, Angestellte, Visitenkarten, Werbung oder Internetpräsenz).
- Feste Eingebundenheit in Betriebsabläufe (etwa durch Teamarbeit mit Angestellten).
Wenn nur einer dieser Punkte zutrifft, bedeutet das nicht automatisch, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Im Falle einer Prüfung liegt die Entscheidung im Ermessen des zuständigen Gerichts.
Wie wird Scheinselbstständigkeit geprüft?
Oftmals sind Betriebsprüfungen der Stein des Anstoßes für Ermittlungen wegen des Verdachts auf Scheinselbstständigkeit. Die Finanzbehörden, aber auch Kranken- und Rentenversicherungen können nach Belieben routinemäßige Betriebsprüfungen durchführen und einen Einzelfall dann genauer prüfen, wenn es Auffälligkeiten oder Ungereimtheiten im Vertragsverhältnis gibt. Aber auch infolge einer Anzeige kann eine Prüfung veranlasst werden.
Um ein Vertragsverhältnis auf Scheinselbstständigkeit zu prüfen, werden die Vertragsbedingungen und Rechnungen ausgewertet und die Betriebsabläufe analysiert. Im ungünstigen Falle ergeht dann eine Anzeige und es werden strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen.
Sowohl Auftraggeber als auch Freelancer selbst haben die Möglichkeit, ein Statusfeststellungsverfahrens bei der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen, um ihren Fall prüfen zu lassen und gegebenenfalls die Vertragsbedingungen abzuändern. Ein solches Verfahren kann jedoch nur beantragt werden, wenn noch kein offizieller Verdacht einer Scheinselbstständigkeit im Raum steht.
Ist Scheinselbstständigkeit Schwarzarbeit?
Die Scheinselbstständigkeit wird gemäß § 1 Abs.2 Nr. 1 SchwarzArbG als Sonderform von Schwarzarbeit betrachtet, da der Auftraggeber hier ein Anstellungsverhältnis nicht als solches deklariert und damit unrechtmäßig Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge spart. Dies hat erst einmal zivilrechtliche Folgen, kann aber auch strafrechtlich relevant werden, da der gesetzlichen Steuerpflicht nicht nachgekommen wurde.
Ist Scheinselbstständigkeit automatisch Steuerhinterziehung?
Zumeist wird durch eine nachgewiesene Scheinselbstständigkeit ein Verstoß gegen § 266a StGB (Vorenthaltung und Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen) verwirklicht. Wenn die Behörden (bzw. das zuständige Gericht) allerdings davon ausgehen, dass die Scheinselbstständigkeit vorsätzlich betrieben wurde, um die im normalen Anstellungsverhältnis fälligen Beiträge nicht zu zahlen, gilt dies als Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO.
Je nach Konstellation des vorliegenden Falles kann sich sowohl der Auftraggeber als auch der freie Mitarbeiter strafbar machen. Der Auftraggeber trägt jedoch das größte Risiko, da er durch eine Scheinselbstständigkeit seines Angestellten am entscheidenden Ende Steuern und Beiträge spart.
Welche Konsequenzen hat Scheinselbstständigkeit?
Wenn eine Scheinselbstständigkeit festgestellt wurde, ist der Scheinselbstständige in der Regel fortan als Arbeitnehmer einzustufen. Dann müssen als Erstes die Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern für bis zu 4 Jahre rückwirkend nachgezahlt werden. Zahlungspflichtig ist hier primär der Auftraggeber. Gleichzeitig kann dieser die an den Auftragnehmer gezahlte Umsatzsteuer zurückfordern. Bei vorsätzlicher Scheinselbstständigkeit kann die Nachzahlung auch auf bis zu 30 Jahre rückwirkend angehoben werden. Meist kommen noch Säumniszuschläge hinzu.
Der als Freelancer deklarierte Arbeitnehmer hat seine Arbeitnehmeranteile nur für drei Monate rückwirkend nachzuzahlen.
Wenn durch die Scheinselbstständigkeit Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO begangen wurde, kommen strafrechtliche Konsequenzen hinzu.
Welche Strafen drohen bei Steuerhinterziehung wegen Scheinselbstständigkeit?
Steuerhinterziehung wird mit hohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren geahndet. Bei besonders schweren Fällen (Steuerhinterziehung in Höhe von mehr als 50.000 € oder gewerbsmäßig über lange Zeiträume) sind Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren möglich.
Freiheitsstrafen werden erfahrungsgemäß hier zumeist zur Bewährung ausgesetzt, solange keine einschlägigen Vorstrafen vorhanden sind. In Kombination mit den unter Umständen horrenden zurückzuzahlenden Steuern sind die Folgen jedoch so oder so verheerend für den schuldig gewordenen Unternehmer. Es ist daher dringend ratsam, keinerlei Risiken bei der Fertigung eines Dienst- oder Werksvertrages einzugehen und beim geringsten Zweifel diesen aus eigener Initiative prüfen zu lassen. Im Zweifelsfall ist es einfacher (wenn auch steuerlich komplizierter), fähige freie Mitarbeiter direkt als Arbeitnehmer zu beschäftigen.
Was soll ich beim Vorwurf der Scheinselbstständigkeit tun?
Je nachdem, was Ihnen konkret vorgeworfen wird, droht ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Damit ist nicht zu spaßen. In diesem Falle brauchen Sie unbedingt einen guten Fachanwalt für Strafrecht, der Ihre Verteidigung übernehmen kann. Diese beiden Regeln sollten Sie unbedingt einhalten:
- Aussage verweigern. Wenn etwa bei einer Betriebsprüfung festgestellt wurde, dass Sie als Freelancer in Arbeitskleidung des Unternehmens herumgelaufen sind, kann das auch daran liegen, dass Ihre Privatklamotten kurz vorher nass geworden sind. Ermittlungen auf Basis solcher Lappalien kommen vor und lassen sich durch einen Anwalt sofort einstellen. Wenn Sie allerdings dann bei einer Vernehmung versehentlich durchblicken lassen, dass Sie auch mal bezahlten Urlaub gemacht haben, machen Sie es Ihrem Anwalt deutlich schwerer. Daher raten wir unbedingt dazu, das gesetzliche Schweigerecht zu nutzen, um sich nicht selbst zu belasten. Alles, was gesagt werden soll, kann auch nach der Absprache mit einem Anwalt geschehen.
- Anwalt einschalten. Ein Anwalt übernimmt für Sie die Kommunikation mit den Behörden und beantragt Akteneinsicht. Nach Einsicht der Ermittlungsakte kann eine Verteidigung aufgebaut werden, die nicht selten eine Einstellung des Strafverfahrens erreicht.
Als Anwaltskanzlei für Strafrecht mit Erfahrung im Steuerstrafrecht sind wir Ihre Ansprechpartner. Wir vertreten bundesweit von unseren Standorten in Bonn, Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg und München aus. Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung und nehmen Sie Kontakt zu uns auf.
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Über den Autor
Dr. Matthias Brauer LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Matthias Brauer ist Kanzleiinhaber und verfügt vor allem im Strafrecht und Verkehrsrecht über eine große Praxiserfahrung.
Standorte der Kanzlei Dr. Brauer Rechtsanwälte sind in Bonn, Frankfurt am Main, Dresden, Hamburg, Stuttgart, Nürnberg, München und Berlin. Von dort aus vertreten die Anwälte und Strafverteidiger Mandanten aus und in ganz Deutschland.
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